Über die Grenze schauen

Unser Zen-Garten

Unser Zen-Garten

Vor drei Wochen waren wir eine intensive Meditationswoche lang Gast in der schönen Therme Bad Blumau und durften – als Teil unserer Arbeitsmeditation – einen Zen-Garten anlegen.  Wir bekamen Steine, Sand und Kies zur Verfügung gestellt und diskutierten, wie denn die Fläche gestaltet werden solle. Alle konzentrierten sich auf den rund einen Quadratmeter, den wir gestalten wollten. In der spannenden Diskussion, wie denn so ein Zen-Garten ausschauen könnte, kam mir ein Prinzip wieder in den Sinn, das bei Zen-Gärten wichtig ist. Ich hockte mich hin und bezog über die kleine Kernfläche hinweg die Böschung, die Büsche und den Himmel in das „Bild“ mit ein. Dadurch änderte sich die Perspektive und der Garten konnte im harmonischen Gleichklang mit seiner Umgebung entstehen.

Gewöhnlich sind wir versucht, uns auf den Bereich zu konzentrieren, den wir gerade bearbeiten. Im eigenen Garten sowieso, da ist der Zaun die absolute Grenze und wir tun alles, um den Nachbargarten nicht wahrzunehmen. Da werden Zäune hochgezogen und blickdichte Hecken gepflanzt. Die Grenzen sind uns Österreichern und Deutschen „heilig“. Nicht so den japanischen Gartenarchitekten. Das merkte ich, als ich vor drei Jahren den japanischen Garten im Park Planten en Blomen in Hamburg besuchte. Mir fiel dort eine Baumgruppe auf, die in meinen Augen ganz unharmonisch schien. Es waren vier Nadelbäume, zwei links, zwei rechts und in der Mitte war ein Loch. Das war nicht nur auf den ersten Blick unschön, sondern die Zahl „vier“ als japanische Todeszahl schien in einem so friedlichen Kontext auch äusserst unpassend. Eine Gruppe Bäume müsste in einem japanischen Garten fünf an der Zahl sein. Während ich da so saß, änderte ich meinen Blick. Und gewahrte plötzlich in dem „Loch“ zwischen den Bäumen, viel weiter hinten, den Fernsehturm. Der – japanische – Gartenarchitekt hatte den Fernsehturm als „Baum“ in die Baumgruppe einbezogen, obwohl er 100 Meter weiter hinten und jenseits des Parks stand. Das war für mich ein richtiges Aha-Erlebnis.

Gestern sprach ich über dieses Thema mit meinem Partner Paul und da erzählte er mir folgendes. Er ging in unserer Strasse die Zäune und Häuser entlang nach Hause. Plötzlich standen am Gehsteig zwei einsame Rucksäcke. Er hob den Blick, schaute die Gartenmauer des dortigen Hauses hinauf und sah zwei Buben, die im Kirschbaum auf dem Ast sassen und sich die reifen Kirschen in den Mund stopften, die sonst ohnehin niemand pflücken würde. Pauls Kommentar dazu:“ Da dachte ich, die Welt ist noch in Ordnung“, soll heissen: wenn es noch harmlose Ordnungsverstösse geben kann, die keinem schaden. Und ich dachte mir: „Ja, die schaffen es, über den (Garten-)Grenze“ zu schauen.“