Japanreise à la Serendip

Hakuins Tempel

Hakuins Tempel

Dieses Jahr fielen Osterferien und Kirschblüte in den gleichen Zeitraum. Daher war die Planung bei unserer Japan-Reise besonders wichtig. Die Hotels waren schon ausverkauft, die Flüge teuer und die Angst groß, dass wir vor lauter Touristen – ausländischen und japanischen –  manche Plätze gar nicht geniessen werden können.

Es kam alles anders. Japanische Freunde zeigten uns versteckte Kostbarkeiten, bekochten uns mit exquisiten Mönchsspeisen und  führten uns alten Japan-Hasen zu den schönsten blühenden und einsamen Kirschbäumenhainen.

Ich hatte die Reise so geplant, dass wir auf den Spuren wichtiger Zen-Mönche reisten. Zum Beispiel wollte ich unbedingt den Tempel von Hakuin sehen. Hakuin Ekaku (1686-1768) war DER Reformer des Zen. Ohne ihn wäre das Rinzai-Zen ausgestorben oder zumindestens unbedeutend geworden. Also dachte ich, es wäre ein Tempel, wie es üblich ist: mit Eintritt, Führungen, eventuell Audio-Guides. Wir kamen dorthin, es war nichts dort. Ein verlassener Tempel, kein Empfang mit Ticketverkauf, nur die Tempelgebäude und Kies. Da entdeckte ich einen alten Mann in einer Ecke. Ich redete ihn an: Guten Tag, wir kommen aus Österreich und praktizieren Zen. das ist doch der Tempel Hakuins, oder?“ Der alte Mann rief nach hinten: „Hey du, erzähle ihnen doch etwas!“ Hervor kam ein junger Mönch mit wachem, intelligenten Gesicht. In diesem Moment dankte ich dem Himmel, dass ich mich auf japanisch verständigen konnte. Denn so konnte ich mich frei mit ihm unterhalten und ihm viele Fragen stellen. Er war Experte für Hakuin. Er führte uns zu jedem Stein und erzählte dazu. Dabei entwarf er ein lebendiges Bild der damaligen Zeit. Wir sahen förmlich die 40 Mönche herumlaufen und wir spürten ihre Ernsthaftigkeit. Wir konnten die schwierigen Zeiten nachvollziehen, als Hakuin sich darum sorgen musste, die Mönche zu verköstigen. Es war eine Zeit der Hungersnöte und viele waren in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Hakuin malte  viele Kalligraphien und Tuschebilder, damit er im Tausch dafür Essen für seine Mönche bekam.

Das Grab Hakuins

Das Grab Hakuins

Zendo

Zendo

Der Mönch zeigte uns das Grab Hakuins. Es war nicht das größte, sondern recht unscheinbar.

Zu guter Letzt setzten wir uns noch in die Zen-Halle und meditierten. Es war ein tiefes Erlebnis.

Der Mönch betonte während seiner Erzählungen  immer wieder, es gäbe an diesem Ort nichts zu sehen. Oberflächlich betrachtet hatte er wohl recht. Ich war jedoch inspiriert und aufgeregt, auf jenem Boden zu stehen, wo das moderne ernsthafte Zen seinen Ausgang genommen hat. Dieses Gefühl musste der Mönch wohl gespürt haben, denn am Schluss meinte er: „Es gibt hier nichts Materielles zu sehen, nur der Geist Hakuins ist hier lebendig.“ Genauso empfanden wir das auch.

Wie in der Geschichte von Serendip waren wir auf der Suche nach etwas gewesen und haben etwas anderes, viel Wertvolleres gefunden. Und genauso erlebten wir jeden Tag unserer Japan-Reise. Jeder Tag hat ein überraschendes Tor geöffnet.  Im Laufe der Reise wurden wir schon dreist und haben uns im Vertrauen auf den Serendip-Effekt jeden Morgen gedacht: „Wir müssen nur dorthin gehen und etwas Schönes wird uns passieren“. Ein wunderbares Gefühl, Neugier auf Unbekanntes und trotzdem das Gefühl des Aufgehobenseins zugleich. Dieses Gefühl der inspirierten Leichtigkeit trug uns durch die ganze Reise.

Mit tiefer Dankbarkeit denke ich an alle die Menschen, die uns dieses Erlebnis ermöglicht haben. Danke!