Das Haiku-Prinzip – Grenzen setzen, das Wesentliche bestimmen und Handeln

Schlicht: das weisse Hemd

Die neue Schlichtheit

Mein Partner Paul überraschte mich vor einiger Zeit als er sagte: „Jetzt kaufe ich mir 14 weisse Hemden, dann habe ich endlich die Sorge los, dass ich mich jeden Morgen entscheiden muss, was ich anziehe. Und ich muss mir nicht überlegen, ob man zum gelben Hemd einen rosa Gürtel nehmen kann.“ 14 weisse Hemden, eine interessante Idee, samt der Kalkulation mit welchem Budget man für die Putzerei – jede Woche 7 Hemden – zu rechnen sei. Man spart Platz – indem man alles andere aus dem Kasten entfernt – und – unnötige Gedanken, die für manche Menschen mehr Stress als Vergnügen sind.

Innerhalb einer Woche gaben mir zwei weitere Aussagen zum gleichen Thema weiter zu denken.

Die Geschäftsführerin einer IT-Consulting Firma, 30 Jahre alt, tough und in High Heels genauso wie in Sneakers zu Hause, erzählte mir, sie hätte ihren Kleidungskasten erheblich reduziert. Sie gehe nur mehr in zwei Geschäfte von denen sie weiß, dass sie ihrem Stil entsprächen. Sie verbiete es sich, von der Auslage eines anderen Geschäfts zum Hineingehen verführt zu werden. Ihrer zweijährige  Tochter habe sie auch nur ein Paar Schuhe gekauft. „Das Leben ist ohnehin so kompliziert, da brauche ich meine Gedanken bei wichtigeren Dingen“.

Zwei Tage später besuchte mich ein 50 jähriger Unternehmer, Chef von mehr als 100 Mitarbeitern, einer der Vorzeige-Unternehmer Österreichs.  Er ist vor kurzem umgezogen und da reduzierte er gleich seinen Kleiderstand auf zwei Jeans, einen Anzug und vier weisse Hemden. Und: “ Es lebt sich viel leichter so, Du glaubst gar nicht, wie mich das befreit!“

Innerhalb von einer Woche hörte ich etwas Ähnliches von drei verschiedenen Personen! Sie beschränken ihre Garderobe, um ihren Kopf für Wichtiges frei zu haben. Sicherlich auch ein Aspekt, warum früher Schüler und andere Berufsgruppen einheitliche Kleidung trugen. Mein Zen-Lehrer z.B.  trägt „in Zivil“ immer einen Samu-e, einen  „Zen-Arbeitsanzug“ aus grauem Anzugsstoff, ob im Theater oder untertags auf der Strasse. Das erspart eine Menge Sorgen.

Die Sehnsucht nach Vereinfachung des Lebens erstreckt sich über viele Bereiche. Von alleine kommt das einfache Leben aber nicht. Es bedarf einer Entscheidung und der darauf folgenden Konsequenz zu einigen Dingen „Nein“ zu sagen.

Oft wird Zen mit „Weniger ist mehr“ in Verbindung gebracht. Die Reduktion auf das Wesentliche IST für viele Menschen Zen. Eine der vielen Ausformungen davon ist die Dichtform des japanischen Haiku. Viele Zen-Meister waren auch gleichzeitig Haiku Dichter, der berühmteste unter ihnen ist Basho.

Ein Haiku kommt mit 17 Silben aus – nicht mehr und nicht weniger. In diesen 17 Silben wird  ein Moment eingefangen, z.B.  das „Platsch“ des Frosches, der in den Teich springt. Nur das Wesentliche eines Moments. Der Dichter muss den Moment in kondensierten 17 Silben unterbringen und diese Beschränkung ist genau das Wichtige daran und führt den Dichter zur Höchstleistung, zur Vereinfachung.

Das Prinzip des Haiku können Sie auf jeden Bereich Ihres Lebens anwenden. Der erste Schritt ist:

1. Setzen Sie sich Grenzen. Das tut die Geschäftsführerin, indem sie nur in zwei Geschäfte einkaufen geht. Oder der Unternehmer, der sich nur auf weisse Hemden beschränkt. Sie könnten sich auf nur zwei Farben beschränken, z.B. schwarz und rot. Oder Sie nehmen sich vor, nicht mehr nach Schnäppchen zu jagen, die dann zu nichts anderem in der Garderobe passen, sondern gezielt einzukaufen. In allen Bereichen des Lebens, wann immer Ihnen etwas über den Kopf wächst, hilft es, sich Grenzen zu setzen. Um jedoch die wichtigen Grenzen zu setzen, müssen Sie wissen, was das Wesentliche ist. Das führt zu Punkt zwei.

2. Bestimmen Sie das Wesentliche. Im Haiku ist das Wesentliche dieser EINE Moment, den der Dichter uns in seiner  Lebendigkeit spüren lassen will. Durch die Konzentration auf diesen einen Moment lässt er alles Beiwerk, alls Unwesentliche weg und gibt dort die Kraft hinein.

Bei Kleidern gibt es mehrere Entscheidungsmöglichkeiten, was für Sie wesentlich ist. Eine wäre etwa, nur Kleider zu kaufen, die möglichst leicht zu reinigen sind. Eine andere,  nur zeitlos hohe Qualität einzukaufen, damit Sie lange nicht mehr einkaufen gehen müssen. Eine weitere wäre, dass Sie sich für einen bestimmten Stil entscheiden und dann gnadenlos alles andere weggeben. Manchmal tut ein Blick von aussen Wunder. Eine Freundin und Stilexpertin etwa hat mir sehr geholfen, die Finger von unpassenden Kleidungsstücken zu lassen. Ich kann mich jetzt besser beschränken (aber ich habe noch ein Stück Weges vor mir
;-))

3. Handeln Sie.  Nach der Entscheidung, was wesentlich ist und worauf Sie sich konzentrieren wollen, HANDELN SIE!  Nur denken hilft nicht! Trennen Sie sich von Unwesentlichem. Sagen Sie „Nein“ zu Ablenkungen und Gelegenheiten, die Sie vom Wesentlichen abhalten. Und erkennen Sie, dass Neinsagen ein Versprechen Ihnen selber gegenüber ist, sich an das Wesentliche zu halten.

Zum Schluss noch zwei Buchtipps , die mir geholfen haben, mein Leben zu entrümpeln:

Babauta2

Leo Babauta: Weniger bringt mehr. Riemann Verlag 2009

3 Kommentare zu “Das Haiku-Prinzip – Grenzen setzen, das Wesentliche bestimmen und Handeln

  1. Da fällt mir ein kleines Gedicht des lachenden alten Hánshān ein:
    „Nun habe ich nur noch ein einziges Kleid
    Das ist nicht aus Gaze und auch nicht aus Seide.
    Solltet ihr fragen: Was ist seine Farbe?
    Es ist nicht lila und ist auch nicht rot.
    Im Sommer trage ich es als ein Hemd,
    Nehm es im Winter mir zur Decke;
    Winters wir Sommers brauch ich es abwechselnd –
    Jahrein und Jahraus: Nur dies!

    – aus den Übersetzungen von Stephan Schuhmacher –

    herzliche Grüße aus Berlin

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