Mein Buch. Fünf Beobachtungen

mein-buchViele blicken jetzt auf das vergangene Jahr zurück. War es ein gutes Jahr? Was hat Euch bewegt?
Mich hat mein Buch bewegt. Schon seit Anfang Jänner 2016.

Zur Vorgeschichte. Schon lange dachte ich daran, ein Buch zu schreiben. Nicht aus der Motivation, bekannt zu werden oder einen höheren Marktwert zu haben. Ich hatte einfach das Gefühl, ich habe etwas in mir drinnen, das heraus will. Dann kam ein Anruf von einem  bekannten Verlag: Ob ich ein Buch schreiben möchte? In Richtung Zen? Der Zeitpunkt passte damals nicht, deshalb sagte ich nein. Zwei Jahre später hatte ich Zeit. Ich  sprach mit der Lektorin und wir fanden gleich einen guten Draht zueinander. Gewöhnlich reichen Autoren Exposés, ein Buchkonzept, Marketingpläne etc. bei verschiedenen Verlagen ein und hoffen, dass einer anbeisst. Ohne Konzept hat es gar keinen Sinn anzufangen. Schließlich geht ein Verlag mit einem neuen Autor ein hohes Risiko ein. Ich jedoch sagte, ich könne kein Konzept schreiben, das Buch muss sich von innen her entwickeln. Mein Verlag war unfassbar verständnisvoll. Meine Lektorin glaubte an dieses Buch, obwohl ich nichts vorgelegt hatte. Und so fing ich an.

1. Schreibrhythmus. Mit viel Elan und Idealismus setzte ich mich Anfang Jänner 2016 hinter den Computer. Ich setzte mir ein Zeitlimit. Vor 12 Uhr keine Emails, Social Media etc. Zwischen 9 und 12 Uhr schaffte ich ein bis zwei Seiten. Egal ob mir etwas einfiel, irgendetwas brachte ich zu Papier. Die Zensur im Kopf war ausgeschaltet. Das Schöne an dieser Zeit war, dass ich um 12 Uhr das Gefühl hatte, das Tageswerk sei erledigt, jetzt dürfe ich mir etwas gönnen: einen Spaziergang, Lesen, Herumtändeln. Zwei Monate lebte ich im Autorenhimmel. Doch ab März wurde es schwierig. Die Seminarsaison fing an, die Anfragen wurden mehr und dringender. Ich musste delegieren, vieles am Laufen halten, organisatorische Arbeit, mein Kopf war nicht mehr so frei. Immer wieder ließ ich einen Tag aus, dann wurden es zwei, dann drei. Nach Ende eines Seminars am Sonntag brauchte ich zwei Tage, Montag und Dienstag, um nachzubereiten und den Mittwoch, um mich wieder an den Gedanken des Schreibens zu gewöhnen. Am Donnerstag war ich wieder drinnen, Freitag ging so dahin und am Wochenende hatte ich wieder andere Aufgaben. Am darauffolgenden Montag musste ich erst wieder langsam in die Gänge kommen, am Dienstag gab es einen Coachingtermin, und so holperten die Schreib-Wochen mit wenig Rhythmus vor sich hin.

2. Die Auster. Ich redete mit niemandem. Denn ich hatte im Frühjahr noch kein Vertrauen, was das Ganze wirklich werden soll. Es schlummerte etwas in mir, was sollte ich da groß erzählen? Auf mich alleine gestellt, stockte jedoch der kreative Prozess. Ich sah nur Bruchstücke und zweifelte am Sinn des ganzen Unternehmens.

3.Die Krise. Ich hatte die Idee im Kopf, doch wenn ich von aussen als „objektiver Beobachter“ auf mein Buch blickte, war es zum Haareausraufen. „Das versteht ja keiner! Ich habe ja keinen roten Faden! Im Kopf haben alle Bruchstücke eine Logik, aber wie mache ich es verständlich?“ Tagelang haderte ich mit mir. Mein früheres Buch (Der souveräne Vortrag) war eine eindeutige Sache gewesen. In einem Sachbuch sind bestimmte Kapitel nötig und die hatte ich in drei Monaten abgearbeitet. Aber bei einem Buch, das sich von innen heraus entwickeln soll?

Da kam mir mein Partner Paul zu Hilfe. Er bot an, als Journalist mit mir ein Interview zu machen, so als ob ich (fertige) Autorin wäre: „Was ist meine Idee und warum braucht die Welt gerade dieses Buch?“ Im Gespräch war ich unbefangener und konnte leichter meine Buchvision formulieren. Als ich danach das Interview las, gab es mir neues Selbstvertrauen. Ah darum geht es also in meinem Buch? dachte ich mir, obwohl mir natürlich wohl bewusst war, dass ich selbst das gesagt hatte. Zusätzlich vereinbarte ich vor dem Sommer einen Termin mit meiner Lektorin. Ich wußte, bis dahin müsste ich einen Teil des Buches so schreiben, dass sich auch ein Aussenstehender vorstellen kann worum es geht.

4. Hilfe von aussen – neuer Mut. Die Seiten, die ich geschrieben hatte, fanden Gefallen. Die Lektorin half mir, aus dem bisherigen Material eine Gliederung mit einzelnen Kapiteln zu erstellen. Nun konnte ich mich an den Kapitelüberschriften orientieren und schrieb mit frischem Mut weiter. Kurz darauf ging ich zwei Wochen auf Urlaub. Als ich zurückkam war mein Kopf blank. Wieder war mein Schreibrhythmus unterbrochen worden.  Wieder fand ich mich in einem Loch wieder. Da holte ich mir Inspirationen von Büchern und von anderen Menschen. Ich sprach mit einem Manager und mit einer Therapeutin und hatte noch einige auf der Liste. So interessant diese Gespräche waren, es waren Ideen von aussen. Ich wollte nichts schreiben, was eine Journalistin auch hätte recherchieren können. Es sollte aus meinem Leben und meinen Erfahrungen fließen.

Sooft ich konnte, ging ich am Nachmittag in den Wald in meiner Nähe. Dort zog ich stundenlang meine Schleifen. Wenn nichts mehr in meinem Kopf war, fingen  Pflanzen und Bäume im Wald an zu mir zu sprechen. Neue Ideen tauchten auf. Langsam entwickelte sich etwas von innen heraus. Es waren zarte Impulse, die Aufmerksamkeit brauchten und eine eigene, ganz andere Gliederung verlangten. Plötzlich merkte ich, wie manche scheinbar unzusammenhängende Mosaiksteine ein Muster ergaben.  Ich stieß die alte Gliederung um und schrieb wieder an kurzen Passagen. Im Gehen entstanden Formulierungen und neue Gedanken–Landkarten. Manchmal war ich hoch beflügelt, manchmal  im Fegefeuer. Ich erkannte, ich hatte als Material nur mich selber. Niemand kann mir irgend etwas  abnehmen. Der Prozess geschieht nicht nur mit dem Buch, sondern mit mir.

Als es in den Herbst hinein ging, wurde die Zeit knapp. Der Verlag wollte Resümees, ein Foto, Unterlagen für den Katalog. Wir diskutierten über den Titel.  Ich kopierte alle Kapitel in ein einziges Dokument. Jetzt sieht es schon fast aus wie ein fertiges Buch. Vieles ist noch bruchstückhaft, manches ist schon teilweise brauchbar. Jetzt geht es in die letzte Phase.

5. Endphase – in Flammen. Die nächsten zwei Monate werden die schwierigsten sein. Nun forme ich den Text, mache endgültige Kapitel und hole den Engel aus dem Stein (nach Michelangelo). Leonard Cohen sieht eine Parallele zwischen dem Zazen (Meditation) und dem Schreiben. Er sagt: „Man muss im Feuer dieser Not (Zazen) sitzen bleiben bis es einen verzehrt hat. Dann ist auch diese Not zu Asche geworden. Mit dem Schreiben ist es das gleiche. Ein Kribbeln, eine unerträgliche Unruhe im Leben, ein unerträgliches Gefühl der Nutzlosigkeit drängt einen dazu, das zu nehmen, was man hat. Man steht nicht vor einem Buffet an dem man sich bedienen kann. Man hat nur ganz wenig. Man kramt in der Tasche, „vielleicht habe ich da noch etwas“. Es ist das Gegenteil von Luxus. Es ist wie Lumpen sammeln. Schließlich findet man etwas, in dem man aufgehen kann, das das Selbstverständnis ändert, das die Seele verändert und einen Menschen formt um dieses Lied, um dieses Gedicht herum. Das ist es. Das ist das Herrliche daran.“

Ich weiss, ich werde durch das Feuer gehen. Ich weiss, es wird mich transformieren. Und dann formt es mich um dieses Buch herum. Ich bin zuversichtlich.

10 Kommentare zu “Mein Buch. Fünf Beobachtungen

  1. Pingback: Das Zen des Buchschreibens | fleurszenblog

  2. Liebe Fleur, vieles von dem was Du schreibst kann ich sehr gut nachvollziehen und bestätigen. Es war teilweise ein Haare raufen und ein Ringen. Unterm Strich war es jedoch extrem erfüllend ein Buch zu schreiben und es hat mich wieder ein gutes Stück wachsen lassen. Genauso wie Du es beschreibst 🙂 Ich möchte jede/jeden ermutigen ein Buch zu schreiben, wenn sie/er das Gefühl hat, dass sie/er damit anderen Menschen etwas geben kann…

  3. Fleur… einen schönen inneren Dialog hier für uns alle die mitlesen explizit gemacht. Für mich wie die Wogen am Meer – ein Spaziergang zwischen das Hin und das Her – in die innere Welt lauschen und dann hinaus beobachten. Wahrnehmen, annehmen und dann fließen lassen…. Ich bin ganz auf dein schönes Buch gespannt…aus dem Innen heraus.

  4. Danke fürs Teilhabendürfen an diesem Abenteuer, das keine Flucht in irgendwelche Schein-Sicherheiten bietet, sondern eine aufwühlend- wunderbare Reise durch die persönliche Transformation – durch Schreiben…. ist. Alles Gute weiterhin.
    Ich werde das Buch begeistert aufnehmen.

    • Das ist ein gutes Stichwort! Transformation kann auf den verschiedensten Ebenen entstehen. Daran denke ich immer beim Rezitieren: „homon muryo seigan gaku“ Es gibt unzählige Tore (zur Wahrheit). Ich gelobe sie alle zu durchschreiten. Jetzt fange ich mal beim Buchschreiben an ;-)).

  5. Pingback: Mein Buch. Fünf Beobachtungen – Paul schreibt …

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