Mein Buch versteckt sich nicht mehr im Kopf, es hat sich am Papier materialisiert. Eines Morgens um 10.41 befreite es sich aus meiner Obhut und ist den ersten Schritt in die Welt – zum Lektorat des Verlages – hinaus gegangen. Ein aufregender Moment.
Vor drei Monaten hatte ich über meinen Schreibprozess reflektiert und wie sich das Buch von innen her entfaltet. Jetzt schaue ich zurück. Hat mich das Buch transformiert? Hier meine wichtigsten Erkenntnisse:
1. Die „Form“. Buchschreiben braucht eine feste Form: eine fixe Uhrzeit und einen fixen Ablauf jeden Tag. Ich habe täglich zur gleichen Zeit geschrieben, manchmal ging es flott voran, manchmal holprig. Ich schuf ein Umfeld ohne Ablenkungen, ohne Termine und das WLan blieb ausgeschaltet. Die Abende verbrachte ich zu Hause. Da nahm ich in Ruhe ein Buch zur Hand, da meditierte ich, da hörte ich Musik. Der immer gleiche Ablauf brachte den ganzen Tag in Form. Aus dieser Struktur erwuchs ein innerer Rhythmus (siehe meinen Blog über Rhythmus) und damit Wohlbefinden.
2. Fokus. Ist die Form klar und fest, dann öffnen sich Freiräume. Buchschreiben hatte die höchste Priorität, deshalb kehrten die Gedanken immer wieder zu den Themen des Buches zurück. Kopf und Herz dachten auch in Zeiten nach, in denen ich nicht am Computer saß. Fast immer hat mir ein Spaziergang neue Ideen beschert, fast immer war ich danach beflügelt und habe mit großer Freude wieder an meinem Buch gearbeitet.
3. Den Widerstand umarmen. Widerstände gehören zum Schreiben wie Salz zum Brot. Es geht nicht ohne. Manchmal hätte ich mich lieber zu meiner Katze in die Wiese gelegt und die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Zweifel plagten mich häufig, der Termindruck lastete auf mir, oft dachte ich „Wann ist das endlich vorbei?“. Ich lernte, meinen Widerständen mit sanftem Humor zu begegnen. Sie tauchten während der ganzen Schreib – Reise auf. „Ach da bist Du ja wieder“ sagte ich zu ihnen, lud sie ein, und brachte mich wieder zurück in die Form und zu meinem Vorsatz, jeden Tag mindestens 500 Zeichen zu schreiben. Egal was und egal wie schlecht. Ich überflog meine Kapitelübersicht und bald fiel mir etwas ein, sei es ein Gedanke, sei es ein Fallbeispiel. Dann schrieb ich ohne zu denken, wo es letztlich hineinpassen würde. Erst Monate später ordnete ich manche Teile einem Kapitel zu und brachte alles in eine richtige und logische Abfolge. Widerstände, das kenne ich vom Zen, sind normal und Teil des Prozesses. Wie ich mit ihnen umgehe, macht sie zu meinen Verbündeten oder zu meinen Feinden. Und dank meines Vorsatzes täglich etwas zu schreiben, hatte ich am Ende viel Material, aus dem ich auswählen konnte.
4. Vergangenes neu bewerten. Schreiben präzisiert die Gedanken und der Blickwinkel verändert sich. Den ganzen Tag lang denken wir irgendetwas, oft auch Gescheites. Bevor es aber nicht am Papier steht, denken wir unpräzise. Ich dachte nach, wie ich den Lesern meine inneren Bilder beschreiben, wie ich in ihren Köpfen Bilder entstehen lassen könnte. Dafür musste ich mich in die vergangene Geschichte hineindenken. Wie war das damals genau? Wie war das Wetter? Was hatte die Person an? Was habe ich daraus gelernt? Lebte ich mich in die Situation hinein, kamen die Gefühle zurück. Doch jetzt bewertete ich sie anders. Nun sah ich das Erlebnis mit den Augen der Erwachsenen. Das bescherte mir eine differenzierte, reichere Sicht.
5. Das Karma akzeptieren. Als das Buch fertig war, hätte ich es am liebsten noch einmal zur Gänze überarbeitet. Doch irgendwann müssen wir unsere Grenzen anerkennen. Das Idealbuch, einfach geschrieben mit Tiefgang, das Millionen Herzen erobern wird, ja vielleicht ist es das. Vielleicht aber auch nicht. Irgendwann musste ich mein Baby loslassen. Und es ist gut so.
Liebe Fleur, ich denke viel darüber nach, wie man Zen und Schreiben verbinden kann. Mein persönlicher Weg: Ich arbeite mit einer Zeitschaltuhr, stelle beispielsweise eine Stunde auf der Zeitschaltuhr und konzentriere mich während dieser Zeit ganz auf das Schreiben, so wie beim Zazen auf den Atem. Mein Zen writing. Dasselbe kann man auch machen, wenn man die Küche aufräumt oder die Buchhaltung macht. Liebe Grüße Elisabeth
Das erinnert mich an die Pomodoro Technik, nur sind es dort 25 Minuten. LG Fleur
Großartig und Gratulation zur Fertigstellung deines Buches! Deine Blogs inspirieren mich immer wieder. Diesmal aber ganz besonders, weil meine nächstes Ziel schon längere Zeit heißt: Blog schreiben. Deine Reflexionen sind mir dazu ein wunderbare „Handrails“. Danke dir dafür!
Liebe Elfie, Danke für Deinen Kommentar! Blogschreiben ist viel Arbeit aber auch sehr schön. Die Form, wie ich Blog schreibe ist sicherlich nicht eine, um Millionen „Follower“ zu finden. Etwas sträubt sich in mir, Themen zu schreiben wie „Die sieben Schlüssel wie Sie zur Ruhe kommen“ oder „Das Geheimnis, wie Mönche nur durch ihren Geist Schnee schmelzen lassen können“. Das sind so Themen, die breite Kreise ziehen. Ich sehe Blogs mehr als „Miniaturen“, als kleine Denkanstöße. Wenn diese Gefallen finden, bin ich glücklich.
Grossartig! Ich freue mich sehr mit Dir über die Vollendung. Deine Worte über dem Prozess als Rückschau berühren mich. Das gilt nicht nur im Zusammenhang mit dem Schreiben eines Buches sondern mit vielen anderen Tätigkeiten, die man sich vornimmt. Besonders gefällt es mir die FORM als Rahmen, der einem dabei unterstützt. Ich freue mich auch sehr auf das Buch.
Die FORM ist mein Lieblingsthema ;-). Danke für Deine Worte!