Zen-Klausur: Von innen leben

Zazen in der Hütte

Viele Zen-Meister haben sich immer wieder in die Berge zurückgezogen um zu meditieren. Auch Bassui Tokusho Zenji (1327-1387), mit dem ich mich vor einiger Zeit intensiv beschäftigt habe. Er hatte fast sein ganzes Leben zurückgezogen in einer Hütte am Berg gelebt.

Warum ausgerechnet in den Bergen? Ich wollte das herausfinden, habe eine Hütte in den Bergen gemietet und bin ohne Computer und ohne Bücher dorthin gefahren, um alleine eine Woche Zen-Klausur zu machen.

Es war das spannendste, was ich in den vergangenen Jahren erlebt habe.  Ich hatte keinerlei Vorgaben, keine Tagesstruktur und so war ich fast ein bisschen aufgeregt, was passieren würde.

Die Struktur kam ganz von alleine. Es war Meditieren, Frühstück, Körperübungen, Schauen, in die Natur gehen, Essen, Meditieren, Schauen, Essen, Meditieren, Schlafen.  Es entwickelte sich ein Gefühl des Bei-mir-Seins, des Im-Moment-Seins, einer tiefen inneren Stille, die durchwegs Meditation war.

Und das waren die Aha-Erlebnisse:

Ein Leben ohne Entscheidungen. Unser Alltagsleben ist so schwierig, denn wir müssen dauernd Entscheidungen treffen. Nehmen wir eine Melange oder einen Cappuccino? Kaufe ich das billigere Waschmittel oder das teurere Öko-Waschmittel? Fahre ich mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder fahre ich mit der U-Bahn? Je komplizierter unser Leben ist, desto mehr Entscheidungen müssen wir treffen. Am Berg nehme ich was da ist, punktum.

Die Essensbedürfnisse ändern sich. Ohne Einflüsse von aussen wie Fernsehen, Werbung, das Angebot im Supermarkt, verändern sich die Essensbedürfnisse. Ich habe nur ganz simple Dinge zum Essen gekocht und weniger gegessen. Ich hatte Orangensaft und Mineralwasser mitgebracht, aber nicht angerührt. Ich hatte grünen und schwarzen Tee mitgenommen, aber nur heisses Wasser und Kräutertee getrunken.

Das Leben entwickelt sich von innen. Im Alltag leben wir von aussen bestimmt. Von Terminen, Vorgaben im Beruf, von den Bedürfnissen des Partners, von Informationen aus Zeitungen, Werbung, Fernsehen. Selbst wenn wir ein Buch lesen, nehmen wir etwas von aussen auf. Eine Woche lang nichts aufnehmen, und wir gewinnen völlig neue Erkenntnisse über uns selbst. Die leise Stimme, die von innen kommt, hat eine Chance, unsere Augen öffnen sich und nehmen wahr.

Unsere Umgebung wird wirklich. Ohne Impulse von aussen werden wir nicht abgelenkt. Ich gehe in die Natur und kann mich mit ihr einschwingen. Keine störenden Gedanken sind da, die eine Wand zur Umgebung aufbauen. Ich sehe mehr, ich freue mich an kleinen und großen Dingen, an Fliegenpilzen und an der Milchstrasse in der Nacht.

Jetzt bleibt noch das Rätsel: Warum gerade am Berg? Es ist ganz einfach. Da sind wir weit weg von der Zivilisation. Es ist still. Keine Stimmen, keine Autos. Und selbst wenn ich in Versuchung kommen sollte, in ein Kaffeehaus zu gehen, ist das nicht so einfach,  da bleibe ich lieber oben. Am Berg bin ich wirklich alleine.