Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, am Ende des Tages auf das Erlebte zurückzuschauen. Dazu habe ich mir einen hübschen rosafarbenen Kiesel ausgesucht. Er liegt neben meinem Bett. Vor dem Zubettgehen nehme ich ihn in die Hand und erinnere mich, was am heutigen Tag besonders schön war und bedanke mich innerlich dafür. Der Stein ist ein großartiger Anker, denn ohne diesen Stein würde ich diese Rückschau vergessen. Ob die Zen-Meister das mit einem Stein gemacht haben, weiss ich nicht. Von Hakuin Zenji wissen wir aber, dass er jeden Abend eine Tagesrückschau gemacht hat. Er nannte sie Innenschau (Naikan).
Die Rück-Innen-und-Rundumschau gibt uns dem Leben zurück. Die Stunden, aus denen unser Tag zusammengesetzt ist, wären sonst vorbei und vergessen. Und so hebe ich einen Moment von den 86.400 Sekunden, die wir in 24 Stunden verleben, heraus. Wenn ein einziger Moment wert ist, erinnert zu werden, war dieser Tag nicht umsonst.
Was sind die Glanzmomente meines Tages? Ein Sonnenstrahl auf einem Leberblümchen, der klare Nachthimmel, das Lächeln einer Frau, wenn ich den Berg runterjogge, eine Mutter, die ihrem Kind mit Schultasche ein Lied vorsingt. Kleine Beiläufigkeiten, Momente, die in unser geschäftiges Leben hereinflattern. Augenblicke ohne Zweck, jedoch prall mit Dasein.
Aber es gibt auch Tage, da denke ich „Was war heute, was mich berührte?“ Und da kommt nichts. Das sind Tage, an denen mein Dankesstein „Achtung“ schreit. „Achtung, Du bist in Gefahr!“ „Achtung, Du musst raus aus der Computer-Reaktionsfalle“. Dann weiss ich, ich muss entkuppeln und einen Gang runterfahren. —– Eine heilsame Sache, so ein einfacher kleiner Stein.
Es ist nicht ganz dasselbe. Eine Trainerin für Führungskräfte empfahl den SeminarteilnehmerInnen: Nehmen Sie morgens fünf Steinchen in die rechte Hosentasche. Immer dann, wenn Ihnen eine Situation des Tages ein Lächeln zaubert, lassen Sie ein Steinchen in die linke Hosentasche wandern. Jeden Abend sollten alle Steine in der linken Tasche sein.