Das Geschenk annehmen

„Drei Tage lang haben wir nur Eier gegessen!“ erzählte mir ein Freund, der vor kurzem in einem japanischen Zen-Ausbildungskloster als Mönch gelebt hatte. Zen-Mönche leben nur von Spenden. Nichts wird dazu eingekauft. Gegessen wird das, was Bauern und Kaufleute dem … Weiterlesen

Wenn der Dankestein „Achtung“ schreit

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Dankesstein

Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, am Ende des Tages auf das Erlebte zurückzuschauen. Dazu habe ich mir einen hübschen rosafarbenen Kiesel ausgesucht. Er liegt neben meinem Bett. Vor dem Zubettgehen nehme ich ihn in die Hand und erinnere mich, was am heutigen Tag besonders schön war und bedanke mich innerlich dafür. Der Stein ist ein großartiger Anker, denn ohne diesen Stein würde ich diese Rückschau vergessen. Ob die Zen-Meister das mit einem Stein gemacht haben, weiss ich nicht. Von Hakuin Zenji wissen wir aber, dass er jeden Abend eine Tagesrückschau gemacht hat. Er nannte sie Innenschau (Naikan).

Die Rück-Innen-und-Rundumschau gibt uns dem Leben zurück. Die Stunden, aus denen unser Tag zusammengesetzt ist, wären sonst vorbei und vergessen. Und so hebe ich einen Moment von den 86.400 Sekunden, die wir in 24 Stunden verleben, heraus. Wenn ein einziger Moment wert ist, erinnert zu werden, war dieser Tag nicht umsonst.

Was sind die Glanzmomente meines Tages? Ein Sonnenstrahl auf einem Leberblümchen, der klare Nachthimmel, das Lächeln einer Frau, wenn ich den Berg runterjogge, eine Mutter, die ihrem Kind mit Schultasche ein Lied vorsingt. Kleine Beiläufigkeiten, Momente, die in unser geschäftiges Leben hereinflattern. Augenblicke ohne Zweck, jedoch prall mit Dasein.

Aber es gibt auch Tage, da denke ich „Was war heute, was mich berührte?“ Und da kommt nichts. Das sind Tage, an denen mein Dankesstein „Achtung“ schreit. „Achtung, Du bist in Gefahr!“ „Achtung, Du musst raus aus der Computer-Reaktionsfalle“. Dann weiss ich, ich muss entkuppeln und einen Gang runterfahren. —– Eine heilsame Sache, so ein einfacher kleiner Stein.

Arigato Danke

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Ari-gatai —— Danke

Jede Kultur hat die Worte, die sie sich macht. Da ist ein Kulturvergleich manchmal sehr spannend. Das deutsche Wort „danke“ zum Beispiel bedeutete ursprünglich „Denken, Gedenken“ und bezeichnet damit „das mit dem (Ge)Denken verbundene Gefühl und die Äusserung dankbarer Gesinnung“. „Danke“ hat also etwas zu tun mit „an etwas dankbar denken“.

Ganz anders im Japanischen, das mir sehr nahe liegt. Im Japanischen heisst „danke“ arigato, ein Wort, das aus dem buddhistischen Denken kommt. Dieses Wort setzt sich eigentlich aus zwei Wörtern zusammen, aus „ari“ und „gatai„. „ari“ bedeutet „sein“ und „gatai“ heisst „schwer“. „Arigatai“ wird dann verwendet, wenn etwas Seltenes, Ungewöhnliches passiert. Daraus, aus diesem Seltenen, Ungewöhnlichem, erwächst ein Gefühl der Dankbarkeit und man sagt „arigato„.

Gestern war ich im Wienerwald wandern. Ich hatte mir vorgenommen den Pilgerweg von Wien nach Mariazell in Etappen zu gehen. Meinen kleinen Smart stellte ich vor der Wallfahrtskirche in der kleinen Ortschaft Hafnerberg ab und ging mehrere Stunden nach Klein Mariazell den Berg hinauf und dann weiter nach Kaumberg. Von dort wollte ich um 18 Uhr den Bus zurück nehmen – die letzte Chance, denn danach gab es keinen mehr.

Ich dachte, ich hätte viel, viel Zeit, doch wurde sie mir immer knapper. Einige Bäume waren gefällt worden, die Markierung war dadurch weg und ich verlief mich. Trotzdem – oh Wunder – kam ich genau richtig knapp vor 18 Uhr zur Busstation. Wunderbar. Erleichtert liess ich mich in den Sitz fallen. Nun musste ich nur noch ins Auto und nach Hause zischen. Beim Smart angekommen, drückte ich beschwingt den elektronischen Knopf am Schlüssel und  –  nichts rührte sich, das Auto ging nicht auf.

Gott sei Dank aber gibt es in diesen Elektronikwunderwuzziautos auch ein Schloss für die Hecktüre. Also kletterte ich von hinten durch den Kofferraum hinein. Ich wollte starten, aber wiederum ging nichts. Wer könnte mir helfen? Das Dorf war ausgestorben, die zwei Gasthöfe hatten geschlossen. Kein Mensch auf der Strasse. Es blieb mir nur übrig, zur Bundesstrasse zu gehen und ein Auto aufzuhalten. Ich stieg aus – und in diesem Moment kam ein Mann aus der Kirche. Er erwies sich als sehr, sehr hilfsbereit. Er fuhr nach Hause, holte Starterkabel, und wir versuchten, die Batterie aufzuladen. Leider bewegte sich immer noch nichts. Die Batterie war es also nicht. Der nette Mann rief einen Freund an, der Mechaniker ist. Dieser kam, obwohl er im Zeitdruck war mit seinen drei Kindern im Auto, schaute sich das Ganze an und konstatierte: „DIESE Elektronik! Ich vermute, der Code in Ihrem Schlüssel passt nicht mehr zum Code im Auto. Haben Sie einen Ersatzschlüssel?“ Ja schon, aber mit?

Ich rief also meinen Mann an und bat ihn, herzukommen. Er hatte Glück und unser Nachbar war so nett und lieh ihm seinen Wagen, etwas, womit er kaum gerechnet hatte, denn es handelt sich um einen sehr teuren Super-Super-Wagen. Er steckte seinen Schlüssel in das Zündschloss und der Wagen sprang an. So endete dieses Problem mit  großer Erleichterung: wahrlich ein Anlass für „arigato„!

Etwas sehr Ungewöhnliches hatte sich ereignet. Der Mann aus der Kirche, der Mechaniker-Freund und unser Nachbar, mein Gefährte -– alle haben zusammengeholfen, damit ich nach Hause kommen konnte. Wunderbar – ich fühlte mich in dieser Welt aufgehoben!

Da fiel mir das Wort meines Zen-Roshi ein, der meinte, je länger man Zen praktiziere, desto öfter passieren wunderbare, geheimnisvolle Ereignisse; desto öfter habe man Anlass um „arigato“ zusagen.

Habt auch Ihr schon solche Erfahrungen gemacht?