5 Tipps der Gedächtnisweltmeisterin Luise Sommer

Wie wir unser Gehirn fit halten und Denkpausen auch wirklich zum Erholen und Leeren nützen erfuhr ich kürzlich in einem Gespräch mit der faszinierenden Luise Sommer.

Im Sommer saß ich im Konzertsaal neben einer Frau, deren Gesicht mir bekannt vorkam. „Sind Sie Frau Sommer?“ fragte ich.  Seit vielen Jahren kannte ich sie aus den Medien als DIE Expertin für gutes Gedächtnis. Was ich damals nicht wusste: Wenige Monate zuvor hatte sie an der Gedächtnisweltmeisterschaft in Singapur teilgenommen, und sie hatte gewonnen! Ich saß neben einer Weltmeisterin!

Unbeschreiblich war für sie das Gefühl die Weltmeisterschaft gewonnen zu haben, erzählte sie mir später, mit dem Gründer der Gedächtnisweltmeisterschaft Tony Buzan auf der Bühne zu stehen und mit der österreichischen Bundeshymne geehrt zu werden.

Gewinnerin Luise Sommer mit Tony Buzan auf der Bühne

Kurz nach unserem peripheren Treffen im Konzert entdeckte ich, dass ihr Buch „Dein Gedächtnis kann mehr!“ und mein Buch „Innehalten“ in der Auslage einer Buchhandlung nebeneinander „saßen“. Sie waren am gleichen Tag erschienen.

Unsere Bücher „sitzen“ nebeneinander

Aus diesen Zufälligkeiten entwickelte sich eine neue Freundschaft und interessante Gespräche während eines Spazierganges über ein hügeliges Hochplateau in der Steiermark. Ich stellte einige neugierige Fragen. Z.B. wie sie dazu gekommen ist, ihr Gehirn zu trainieren, wie sie Weltmeisterin geworden ist und wie sie ihr Gedächtnis in Schwung hält.  Hier sind Auszüge aus unserem Gespräch:

Luise, Du  hast vor der Weltmeisterschaft jeden Tag stundenlang Dein Gedächtnis trainiert. Das muss sehr anstrengend sein. Ist dein Hirn dann nicht voll?

Luise: Wir kennen das alle: Wir haben nach einer intensiven Arbeitsphase, einem mehr als ausgefüllten Tag, das Gefühl, in unserem Gehirn habe nichts mehr Platz. Das gesunde Gehirn kann jedoch nicht in dem Sinn voll sein, dass es keine weiteren Informationen mehr aufnehmen kann.

Was jedoch sehr wohl bald erschöpft sein kann, ist die Kapazität unseres Arbeits- und Kurzzeitgedächtnisses. Und da hilft nur eins: Pausen und Gehirn leeren! Es ist wohl „Eulen nach Athen tragen“, wenn ich hier, liebe Fleur, die Zen-Geschichte mit der vollen Teetasse erwähne. Manchmal fühlt sich unser Hirn an wie eine solche. Und erst, wenn ich die Tasse leere, ist wieder Platz darin für Neues.

Wie leerst du dein Gehirn?
Luise: Im Schlaf verarbeitet das Gehirn, was es tagsüber gelernt hat. Wir alle haben schon oft erlebt, was zahlreiche Studien längst bewiesen haben: Über Nacht findet man für so manches Problem eine Lösung, auf die man tagsüber partout nicht gekommen ist. Und mindestens genauso wichtig sind bewusst erlebte Pausen. Muße, Innehalten – das war schon für Dichter und Denker eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration.

Ist es nicht spannend, dass die Bedeutung des griechischen Wortes scholé (σχολή), aus dem sich unser Wort „Schule“ herleitet, ursprünglich Muße oder Müßiggang war? Aus Sicht der Hirnforschung ist das Nichtstun keinesfalls eine Phase, wo unsere Neuronen inaktiv sind. Untersuchungen mittels Magnetresonanztomografie haben gezeigt, dass unser Gehirn im „Default Mode“, also dem Leerlauf-Modus, sehr wohl in bestimmten Hirnregionen aktiv ist.

Es wird allgemein angenommen, dass in unseren Synapsen in genau diesen Zeiten der Pause, der Muße, der „scholé“, Erlerntes und Erlebtes neu sortiert und gefestigt wird. Und wir so durch bewusstes Innehalten – in welcher Form auch immer – unser Gedächtnis unterstützen und uns vieles besser merken können.

Was sind Deine persönlichen Strategien, dein Hirn fit zu halten?
Luise: Wo immer möglich, versuche ich zu leben was ich predige – also „Trying to walk my talk“, as the English say ;-). Ich benutze einfach meinen Alltag als „Fitness-Studio“ für meinen Geist. Wenn mir eine Telefonnummer angesagt wird, während ich im Auto unterwegs bin, geht ja Aufschreiben nicht ➙ Memorieren derselben ist eine willkommene Trainingseinheit.

Wenn ich neue Menschen kennenlerne, nehme ich bewusst ihre Namen wahr und merke sie mir, ganz nach meinem Lieblingsmotto „A name a day keeps Alzheimer away“. (Das ist auch immer willkommener Stimulus am Beginn meiner Vorträge, wenn ich die TeilnehmerInnen mit ihren (Vor-)Namen begrüße.)

Und möglichst oft, wenn interessante Fakten, Informationen meinen Weg kreuzen (oder ich Dr. Google um etwas frage), sage ich mir anschließend: „Das merk’ ich mir!“ und bastle schnell eine Memo-Brücke, die mir dabei hilft. So schlage ich drei Fliegen auf einem Schlag: Ich erleichtere mir meinen Alltag, vergrößere mein „Wissensnetz“ und – bringe Farbe in meine grauen Zellen.

Wenn man viel lernen muss, in welchen Abständen und wie lange soll man sein Gehirn leeren?
Luise: Ich will hier keine allgemein gültige Regel aufstellen, sondern plädiere für Ausprobieren: Welche Lern- und vor allem Wiederholungsphasen bringen mir am meisten?

Damit Informationen ins Langzeitgedächtnis gelangen, kommt es nämlich nicht darauf an, wie lange etwas gelernt wird – sondern wie oft. Wenn ich mehrere kürzere Lerneinheiten, gefolgt von kleinen Pausen, über den Tag verteile und dabei auch das Wiederholen des bisher Gelernten einbaue, merke ich mir garantiert mehr, als wenn ich dieselbe Zeit fast nur am Stück „strebere“.

Wie wir ja schon weiter oben gesehen haben, praktiziert unser Gehirn auch in den Pausen unterbewusstes „Weiterlernen“, und das kann ich so besser ausnützen. Wichtig ist nur, diese Pausen auch wirklich zum Erholen und Leeren zu nützen (siehe oben) – und nicht etwa wahllos in social media posts abzudriften… Selbstverständlich ist es ok, so einen Blog wie deinen zwischendurch zu lesen und sich inspirieren zu lassen ;-).

Brauchst Du auch Pausen? Wenn ja, was sind die besten Pausen für Deinen Kopf?
Luise: Für mich ist die beste Pause: „Auslüften“ – und zwar Körper und Geist. Als ich im Sommer 2016 begann, mich auf die WM in Singapur im darauffolgenden Dezember vorzubereiten, waren meine geliebten Waldmärsche fix in mein tägliches Training eingebaut. Oder wenn ich zwischendurch einmal Lust auf Abschalten hatte: 20 Minuten zu zündender Musik locker-beschwingt auf meinem Minitramp zu hüpfen hat nicht nur mein Gehirn geleert, sondern auch eine Extraportion Endorphine gleich mitgeliefert.

Diese Art des „Hirn-Ausleerens“ möchte ich mittlerweile nicht mehr missen – genauso wie kurze Mini-Pausen, wo ich eine Gewohnheit aus der Kindheit in meinen Alltag hole: Einfach nur da zu sitzen (im Zug, auf einer Bus-Haltestelle, wo es sich eben gerade ergibt) und – „ins Narrnkastl schauen“. Kennst du das? Wo dann dein Blick so herrlich leer wird – und das Hirn gleich mit.

Was ich unbedingt noch lernen möchte, ist “echtes“ Meditieren. Zur Ruhe zu kommen, mir wirklich bewusst Zeit dafür zu nehmen – das war schon länger mein Vorsatz, aber irgendwie hat die Zeit dafür immer gefehlt. Ich spüre, dass sie nun gekommen ist – und da bin ich bei dir ja an der richtigen Stelle ☺.

Ich habe Luises Buch gelesen. Es ist kurzweilig, modern („Machen Sie Ihr Hirn medienfit“) und bringt viele gute Tipps. In den nächsten Tagen könnt Ihr Luise life hören, siehe unten. Viel Spaß!

Tipp:

Radio: Einige wenige Tage noch ist Luise M. Sommer live im Radio zu hören: http://oe1.orf.at/player/20180122/501390

Buchpräsentation: Wer nächste Woche am 30. Jänner mit mir bei Luises Buchpräsentation dabei sein möchte, den erwartet ein besonderes Ereignis. Im Thomassaal des Dominikanerklosters in Wien spricht sie  über ihr Buch und lädt Lotte Tobisch und Heinz Simonischek zu sich auf die Bühne. Details dazu hier

Buch: Wenn Ihr keine Zeit dazu habt, dann besorgt Euch ihr Buch: Luise M. Sommer: Dein Gedächtnis kann mehr! Kreative Merktipps für den digitalen Alltag. Fischer & Gann, 2017. Praktisch, nützlich, lesenswert!

Und wer mein Buch noch nicht kennt … dort gibt es noch einige Gedanken und  Tipps zu „Innehalten“.

Was denkst Du darüber?