Tiefgreifender als Therapien, effektiver als Selbstfindungsworkshops ist es, Mutter oder Vater zu werden. Bis ich Mutter wurde, lief alles in kontrollierten Bahnen: überschaubar, sauber und perfekt. Dann wurde alles anders.
Der Normaltag einer jungen, berufstätigen Mutter gleicht manchmal eher der Vorhölle als dem rosigen Bild des Muttertags-Klischees. Das hatte ich längst vergessen, bis ich vor einigen Tagen beim Aufräumen eine alte Tagebuchaufzeichnung wiederfand. Sie erinnerte mich, dass sich Mütter jeden Tag in Gelassenheit üben, auch ohne Zen-Praxis – besonders wenn die Kinder klein und das Chaos groß ist. Der nachfolgende Text, den ich vor vielen Jahren geschrieben habe, ist eine Momentaufnahme meines damaligen normalen Mutteralltags.
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Ein Nachmittag mit meinen Söhnen Leon (4), Stefan (8), Fabian (9)
(Anm.: die Namen sind verändert).
Der vierjährige Leon zeigt im Liederbuch auf den Seemann, der über den Noten steht: „Dieses Fleur!“
Also singe ich mit ihm „Blau, blau, blau sind alle meine Kleider, blau, blau, blau ist alles was ich hab…..“
„Der Fabian hat mich gezwickt….!“ Stefans Heulen in hohem Diskant unterbricht meine Bemühungen, Leon die Liebe zur Musik einzupflanzen. Fabian kontert: „Aber er hat angefangen. Der Stefan hat meine Mozartkugel einfach aufgegegessen.“
„Weiter,weiter“, drängt Leon. Also „Blau, blau, blau……“
„Telefoooon“, ich springe auf und laufe ins nächste Zimmer.
„Guten Tag, Frau Doktor, Hier spricht Kapital und Finanz aus Hamburg. Wir sind eine Finanzberatungsfirma. Hätten Sie etwas Zeit, um….“ Ich versuche mich auf die Stimme im Telefon zu konzentrieren. Im Hintergrund höre ich ein neuerliches Aufheulen Stefans und bemerke aus dem Augenwinkel das zufriedene Grinsen Fabians. Ob ich etwas Zeit habe? Ein Blick auf Leon, der eine Kanne mit Saft um die Ecke balanciert, gibt mir Antwort. „Nein, im Moment geht es schwer, rufen Sie mich bitte morgen nochmals an. Auf Wiedersehen.“
Der Saft schwappt auf den Boden. „Schau, ich hab ein Teufelsgetränk gemacht: aus Most, Schweppes, Mineralwasser und Fanta. Wenn man das trinkt, kann man fliegen!“
„Sehr schön, da bin ich aber neugierig“, meine pädagogische Freundlichkeit siegt über meinen Ärger. Ich wische die klebrige Spur auf, die sich durch den Gang zieht.
Meine Haushälterin, Frau Legatova, kommt aus der Küche und bittet mich zögernd: „Frau Flora, eine Frage. Die Wäsche, soll ich alles heute bügeln?“
„Lassen Sie sich nur Zeit….“
„Aiaiaiaiaiooooooo“, Stefan trommelt sich auf die Brust. „Tarzan besiegt alle Feinde“. Er pflanzt sich vor uns auf. In seiner Unterhose steckt ein zerbrochenes Plastikmesser, ein Ritterschwert und eine aus Lego zusammengesteckte Pistole.
„Die Kinderwäsche ist am wichtigsten!“ versuche ich durch das Geschrei Frau Legatova zu erreichen.
„Ja, ein wilder Tarzan bist du, besser als im Film.“
Plötzlich klopft es und meine Mutter kommt gut gelaunt bei der Türe herein.
„Servus Kinder, hallo Fleur, hier habe ich die Prospekte der Gartenmöbel mitgebracht, das Modell Ibiza finde ich ….“
Ich schaue demonstrativ auf die Uhr. „Um Gottes Willen, ich muss auf die Uni. Können wir das später bereden? Ich packe meine Jacke und das Skriptum und schließe die Tür hinter dem tarzanischen Freudengeheul. Meine innere Schaltung stellt sich auf Universität. Welche Wohltat, vor einem ruhigen Publikum meine vorbereiteten Sentenzen auszubreiten. Sesselrücken empfängt mich im Hörsaal: „Meine Damen und Herren, das Thema dieses Semesters lautet: „Frau und Familie….“
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Fünfzehn Jahre übte ich Gelassenheit als Mutter kleiner Kinder, danach begann ich meine Zen-Praxis, die Schule der Gelassenheit für Mütter ohne Kleinkinder.
Ich wünsche allen Müttern zum heutigen Muttertag Ruhe, Gelassenheit und Freude!
Wenn Ihr eine Mutter kennt, die gerade in einer ähnlichen Situation steckt, dann postet es gerne weiter. Alles wird gut.
Ihre
Fleur Sakura Wöss
Nice post thanks foor sharing
Thank you!
genauso 🙂 alles gute nachträglich!
:-))