Hallo Fleur! Hallo Blume!

LungenkrautIch habe ein neues Hobby. Bei meinen ersten Spaziergängen im Wald hat es angefangen. Ausgehungert vom langen Winter war die Begegnung mit den ersten Frühlingsgeborenen etwas ganz Besonderes. Eine, die mit blauen und rosa Blüten aus einer Schneewehe wuchs, schien zu sagen: „Hallo Fleur! Es ist zwar noch ein bisschen kühl, aber… da bin ich!“ „Hallo Blume, dachte ich! Ich habe schon andere Deiner Art im Vorjahr gesehen, aber ich weiss gar nicht, wie Du heißt!“  So kam es, dass ich genau wissen wollte, wie alle die Blumen heissen, die am Wegesrand blühen.

Bei Schneerosen, Frühlingsknotenblumen und Veilchen konnte ich noch die Erinnerungskiste aus meiner Schulzeit durchstöbern. Damals hatten wir in der Biologiestunde Ausflüge in die umliegenden Wiesen und Wälder gemacht, um Pflanzen zu bestimmen. Viele andere Blumen kannte ich aber nicht. Ich hätte eine Blumen App nützlich gefunden, fand aber keine. Zu Hause hatte ich noch zwei Pflanzenbestimmungsbücher von früher. Manche kennen noch den Titel des Buches „Was blüht denn da?“. Das Buch wollte ich jedoch nicht mitschleppen. Also war mein Prozedere so. Ich richtete auf WhatsApp eine Gruppe ein, die ich „Blumen“ taufte. Ich fotografierte die Blume, sah zu Hause in den Bestimmungsbüchern nach, schrieb den Namen der Blume in die Beschriftungszeile und schickte sie an meine „Blumen“- App. So habe ich jetzt schon eine Chronologie von Blumen der letzten drei Monate und kann im nächsten Frühjahr wieder bei den Märzblühern beginnen, nachzusehen.

Das ist fein, jedoch lernte ich auch etwas daraus. Ich lernte wie wichtig es ist, genau zu beobachten. Es genügt nicht, eine Blume zu fotografieren. Zu Hause bemerkte ich, dass es einen großen Unterschied macht, ob der Stängel hohl oder gefüllt, eckig oder rund ist. Und die vielfältigen Blätterformen! Sie spielen eine große Rolle um zu erkennen, ob ich eine Zypressen-Wolfsmilch, eine Sonnenwend-Wolfsmilch oder eine mandelblättrige Wolfsmilch vor mir habe. (Ich habe noch viel zu tun, denn es gibt weltweit  2160 Wolfsmilch-Arten!)

Den Blumennamen zu bestimmen heißt, die Blume von allen Seiten zu betrachten.

Allerdings ist das so eine Sache mit Namen und Begriffen. Wenn der Name einmal bestimmt ist, könnte es sein, dass ich die Zypressen-Wolfsmilch später nicht mehr genau ansehe, denn das Kapitel ist dann abgehakt.

Neulinge der Zen-Meditation fragen mich oft, ob ich ein Buch über Zen empfehlen kann. Dann sage ich „Nein, jetzt nicht. Mache zuerst Deine eigenen Erfahrungen. Beobachte selbst, was passiert.“ Wenn man mit einem Buch seinen Zen-Weg beginnt, kann der Text des Autors den eigenen Blick färben oder sogar verdecken.

Bei meinen Blumen wird das anders sein. Nächstes Jahr, wenn aus der Schneewehe meine Blume wächst und sie sagt: „Hallo Fleur!“, Dann kann ich ihr antworten: „Hallo Hänsel und Gretel! Jetzt weiss ich wie Du heisst. Schön, Dich wieder zu sehen!“

 

Ein Baum statt Nippes

Sakura Hietzing

Wien Hietzing

Heute stand ich an einer Haltestelle und schaute in den Himmel. Da bemerkte ich zum ersten Mal, dass dort drei blühende Kirschbäume stehen. Der kleine Platz hat erst vor 10 Jahren einen neuen Namen bekommen, nämlich Anna Strauss Platz. Wohl deshalb, weil ihr Sohn Johann Strauss dort ganz in der Nähe mit seinen Walzern Triumphe gefeiert hatte. Da dachte ich: „Diese Bäume stehen sicherlich nicht zufällig da. Sicherlich haben Japaner sie dem Bezirk gestiftet.“ Denn auch im Jahre 1996 hatten japanische Partnergemeinden der Stadt Wien 1000 Kirschbäume zum 1000 jährigen Bestehen Österreichs geschenkt. Beim Besuch des Tenno in Wien wurden ebenfalls zwei Kirschbäume im Lainzer Tiergarten gepflanzt. Die japanische Kirsche steht für Japan. Wie schön und wie genial!

Vor kurzem fuhr unser Bundespräsident Heinz Fischer auf Staatsbesuch zu Wladimir Putin. Da ist ein Geschenk ein Muss. Was war sein Mitbringsel? Eine Lipizzanerstatue aus Porzellan. Das macht sich auf dem Photo gut, doch was wird damit passieren? Sie wird wohl in ein Archiv gebracht werden, bestenfalls in eine Vitrine, in der sie vergessen und verstauben wird.

Ein Baum hingegen ist lebendig, er wächst und spendet Schatten. Viele Menschen erfreuen sich tagtäglich daran. Am 21. April werden wieder viele Wiener  zum Kirschenhainfest pilgern und unter den 1000 Kirschbäumen feiern. Japanische Kinder werden tanzen und singen, eine Teezeremonie wird es geben und japanische Musik. So wird die japanisch-österreichische Freundschaft jedes Jahr immer und immer wieder bekräftigt. Wieviel schöner und nachhaltiger ist ein Baumgeschenk als eine tote Porzellanstatue.

In Japan musste ich oft mit Japanern den „Lindenbaum“ von Schubert anstimmen. Meine Gastgeber konnten alle drei Strophen auswändig und ich nicht. Deshalb dachte ich heute: „Eine Linde wäre ein schönes Geschenk für einen Staatsbesuch in Japan. Und danach ein gemeinsames Singen ‚Am Brunnen vor dem Tore…..'“

Habt Ihr noch Baum-Ideen?

Über die Grenze schauen

Unser Zen-Garten

Unser Zen-Garten

Vor drei Wochen waren wir eine intensive Meditationswoche lang Gast in der schönen Therme Bad Blumau und durften – als Teil unserer Arbeitsmeditation – einen Zen-Garten anlegen.  Wir bekamen Steine, Sand und Kies zur Verfügung gestellt und diskutierten, wie denn die Fläche gestaltet werden solle. Alle konzentrierten sich auf den rund einen Quadratmeter, den wir gestalten wollten. In der spannenden Diskussion, wie denn so ein Zen-Garten ausschauen könnte, kam mir ein Prinzip wieder in den Sinn, das bei Zen-Gärten wichtig ist. Ich hockte mich hin und bezog über die kleine Kernfläche hinweg die Böschung, die Büsche und den Himmel in das „Bild“ mit ein. Dadurch änderte sich die Perspektive und der Garten konnte im harmonischen Gleichklang mit seiner Umgebung entstehen.

Gewöhnlich sind wir versucht, uns auf den Bereich zu konzentrieren, den wir gerade bearbeiten. Im eigenen Garten sowieso, da ist der Zaun die absolute Grenze und wir tun alles, um den Nachbargarten nicht wahrzunehmen. Da werden Zäune hochgezogen und blickdichte Hecken gepflanzt. Die Grenzen sind uns Österreichern und Deutschen „heilig“. Nicht so den japanischen Gartenarchitekten. Das merkte ich, als ich vor drei Jahren den japanischen Garten im Park Planten en Blomen in Hamburg besuchte. Mir fiel dort eine Baumgruppe auf, die in meinen Augen ganz unharmonisch schien. Es waren vier Nadelbäume, zwei links, zwei rechts und in der Mitte war ein Loch. Das war nicht nur auf den ersten Blick unschön, sondern die Zahl „vier“ als japanische Todeszahl schien in einem so friedlichen Kontext auch äusserst unpassend. Eine Gruppe Bäume müsste in einem japanischen Garten fünf an der Zahl sein. Während ich da so saß, änderte ich meinen Blick. Und gewahrte plötzlich in dem „Loch“ zwischen den Bäumen, viel weiter hinten, den Fernsehturm. Der – japanische – Gartenarchitekt hatte den Fernsehturm als „Baum“ in die Baumgruppe einbezogen, obwohl er 100 Meter weiter hinten und jenseits des Parks stand. Das war für mich ein richtiges Aha-Erlebnis.

Gestern sprach ich über dieses Thema mit meinem Partner Paul und da erzählte er mir folgendes. Er ging in unserer Strasse die Zäune und Häuser entlang nach Hause. Plötzlich standen am Gehsteig zwei einsame Rucksäcke. Er hob den Blick, schaute die Gartenmauer des dortigen Hauses hinauf und sah zwei Buben, die im Kirschbaum auf dem Ast sassen und sich die reifen Kirschen in den Mund stopften, die sonst ohnehin niemand pflücken würde. Pauls Kommentar dazu:“ Da dachte ich, die Welt ist noch in Ordnung“, soll heissen: wenn es noch harmlose Ordnungsverstösse geben kann, die keinem schaden. Und ich dachte mir: „Ja, die schaffen es, über den (Garten-)Grenze“ zu schauen.“

 

Der Zauber der Dämmerung

Eine solche Finsternis bin ich nicht gewöhnt. Als wir vor das Haus traten sahen wir – nichts. Kein Mond, keine Strassenlampen, keine Autos. Im Lichte der Taschenlampe gingen wir vorsichtig den Berg hinunter zu unserem Seminarhaus. Dort begannen wir unsere Meditation im Dunklen. Die Nacht war nicht nur dunkel, sie war auch still. Keine Bewegungen ausserhalb, keine Autos. Nur hie und da das Bellen eines Hundes. So sassen wir und nahmen in dieser Stille wahr, wie die erste Ahnung eines Tageslichtes die ersten Konturen der Dinge, der Matte, unseres Gegenübers zeichnete.

Matte in PortugalDas war der Beginn jeden Tages unserer Urlaubswoche „Zen und Urlaub“ in Portugal. Am Morgen begrüssten wir den Tag mit Zen, am Abend legten wir ihn mit Zen zur Ruhe. Dazwischen sonnten wir uns am Swimmingpool, gingen am Strand spazieren und blödelten im Restaurant herum.

Schöner als jeder Urlaubsmoment war es jedoch, mit dem Licht zu leben. Die Geburt des Tages – jeden Tag neu – jeden Tag ein Geschenk. Wir stellten uns in die aufgehende Sonne und nahmen sie auf. Am Abend schauten wir in die Abendröte über dem Meer – welch ein Schauspiel!

Jahrtausendelang standen die Menschen mit der Sonne auf und gingen mit ihr schlafen. Jeden Tag dieser Rythmus, angelegt in uns. Wenn ich mich in diesen Rythmus einschwinge, fühle ich mich irgendwie richtig. Und so ist die Meditation ideal in der Dämmerung – nicht nach der Uhr, sondern nach dem Tageslicht. Im Winter später am Morgen und früher am Abend, im Sommer früher am Morgen und später am Abend.

Ich weiss, ich weiss, unser Arbeitsleben verlangt das Leben nach der Uhr. Manchmal sind wir jedoch frei – am Wochenende, im Urlaub. Da können wir uns diese Freiheit gönnen. In der Finsternis aufstehen und auf der Matte aufwachen. Das ist pure Freude!