Der Joshu-Reflex: Tun was ansteht

Eines Tages ging ich mit einem Freund im Wienerwald spazieren. Da lag eine weggeworfene Plastikflasche am Weg. Viele Menschen wären einfach weitergegangen. Er hob sie auf und trug sie so lange bei sich, bis er eine Möglichkeit fand, sie zu entsorgen. Er erzählte mir daraufhin, dass er es zu seiner Gewohnheit gemacht hat, herumliegenden Müll aufzuheben. Oft nimmt er zum Beispiel von einem Teich, wo viele Jugendliche „wild“ baden gehen, leere Bierdosen und anderen Mist mit, damit sich am nächsten Tag die Menschen am schönen Badesee erfreuen können.

Das erinnert mich an die bekannte Geschichte des chinesischen Zen-Meisters Joshu Jushin (778-897). Sie geht so:

Wasche Deine Schale!

Wasche Deine Schale aus!

Ein Mönch sagt zu Meister Joshu: „Ich bin neu hier im Kloster. Gebt mir bitte Unterweisung!“ Darauf Joshu: „Hast Du schon gefrühstückt?“ Der Mönch: „Ja, das habe ich“. Joshu: „Dann geh und wasche Deine Schale aus.“ (Quelle: Mumonkan #7)

Joshu war ein Zen Meister, dessen Größe gerade darin lag, unspektakulär in der Welt zu wirken. Ohne große Diskussionen, ohne viel Herumzuphilosophieren tat er das, was gerade ansteht. Joshu steht für mich für:

1. Das Potential dieses Moments zu erfassen – und –

2. Verantwortung für die Situation dieses Moments anzunehmen

Ich bleibe beim obigen Beispiel. Das bedeutet: Auch bei einem schönen Spaziergang nicht wegzuschauen und sich zu denken, „dafür sind die Müllmänner da“.  Es könnte genauso sein, dass ein Blinder nicht alleine die Strasse überqueren kann, oder dass in der U-Bahn jemand angepöbelt wird. Wir sind immer wieder gefordert, das Gesamtbild des Moment wahrzunehmen und danach zu handeln, auch wenn es anfänglich unbequem zu sein scheint.

Haben Sie auch noch von Ihrer Kindheit im Ohr: „Wer hat das angestellt?“ In der Schule oder auch zu Hause ging es oft darum, die Schuldigen herauszufinden, damit diese das Problem wieder beseitigen, ob es ein eingeschlagenes Fenster ist, oder ein Fleck auf dem Teppich. Die Nichtschuldigen freuen sich und schauen zu, wie die Übeltäter bestraft werden oder es wieder wegputzen müssen. Ob diese Erziehungsmassnahme sinnvoll ist, möchte ich hier nicht beurteilen. Es führt jedenfalls dazu, dass wir uns gar nicht betroffen fühlen von Dingen/Situationen, die wir nicht verursacht haben. Wir lassen sie liegen, wir schieben sie anderen zu.

Andererseits gibt es auch viele Menschen, die ein Problem erkennen und sofort etwas tun, um eine Lösung herbeizuführen. Ohne zu jammern und ohne jemandem anderen die Schuld zuzuschieben. Sie übernehmen Verantwortung, egal, ob es nun von ihnen erwartet wird oder nicht, und gleichgültig, wer das Problem verursacht hat. Das nenne ich den Joshu Reflex.

Mich hat die Tat meines Freundes inspiriert, meinen Jogging-Weg zu „adoptieren“. Ich laufe jeden Tag die gleiche Strecke, einen Weg, der auch oft von Spaziergängern begangen wird. Da liegen Bonbonpapiere, Bierdosen, Plastikflaschen herum. Nach Silvester liegen viele Reste von Knallfröschen und Feuerwerk auf den Wiesen verstreut. Ich habe immer ein kleines Plastiksackerl in der Jackentasche und wenn ich etwas sehe, klaube ich es auf und gebe es hinein. Am Schluss wandert alles in eine Mülltonne. Niemand weiss von meiner „Adoption“ (bis jetzt ;-)), trotzdem macht es mir viel Freude, „meinen“ sauberen Weg jeden Tag entlang zu laufen.

Es würde mich sehr freuen, wenn Ihr die Diskussion aufgreift und andere Beispiele für den Joshu-Reflex beisteuern könntet, ob von Euch oder von anderen Menschen! Klicke einfach unten auf Kommentar und gib uns ein Beispiel!

Von der Zeit benutzt

Fühlen wir uns nicht oft  getrieben von unseren Terminen und meinen, zu wenig Zeit zu haben?  Wir drehen ein Rädchen dort, und eine Schraube da. Wir möchten/müssen dies und jenes tun, die Zeit reicht aber einfach nicht. Gleichzeitig meinen wir, wir könnten auf nichts, was wir in unser Leben hineingepackt haben, verzichten.

Im Zen heisst es, wenn Du Zeit hast, sitze eine halbe Stunde. Wenn Du keine Zeit hast, eine ganze Stunde.
Dieser Satz scheint absurd zu sein. Noch mehr meditieren, wenn wir ohnehin zeitknapp sind?  Ja. Denn dann sehen wir klarer, was wirklich wichtig ist im Leben. Die Gewichtung der Dinge verändert sich. Probieren Sie es aus!

 

Joshu Jushin (778-897), einer der wichtigsten Zen-Meister der Tang-Zeit (618-907) hat gesagt:

„Bevor ich wusste, dass ich selbst der Weg bin, wurde ich von der Zeit benutzt. Als ich aber verstand,    dass der Weg nichts anderes als mein eigenes Selbst ist, wurde ich nicht mehr von der Zeit benutzt.  Nun lebe ich, indem ich die Zeit gebrauche.“