Ausmisten: Abschied von der Last des Zuviel

Wir misten aus. Radikal. Vieles was sich im Laufe eines langen Lebens angehäuft hat, hatte ich schon jahrelang nicht in der Hand gehabt. Bücher, die ich in meiner Studienzeit gelesen hatte, Bücher, die mir irgendwann interessant erschienen waren und die … Weiterlesen

Ist wo „Zen“ draufsteht, auch Zen drinnen?

Wellness Center

Teebeutel

Fußspray

 

 

 

 

 

 

 

Über die Jahre habe ich Dinge gesammelt, die Zen heissen. Was wollen die Hersteller dieser Produkte vermitteln?  Schauen wir uns einige an.

Erstens die Wellness Produkte. Unzählige Wellness Produkte spielen mit dem Begriff Zen.  Da steht wohl quasi „Entspannung“ darauf. Vom Zen Sitzen kommt diese Assoziation sicherlich nicht, vielleicht vom Betrachten der Zen-Gärten, von der Idee, eine Auszeit zu nehmen vom hektischen Alltag. Eine Schale grünen Tees, Eintauchen in die Welt der Massage, der Aromen. Da gehört eben auch ein Fußspray dazu.

Aufgepopptes Müsli
„for inner harmony“

Zen Burger, New York
„Good for You. Good for the Earth.“

Zenpalate
Vegetarisches Restaurant
in New York

 

 

 

 

 

 

 

Die zweite Kategorie hat mit Gesundheit zu tun. Schliesslich isst man im Zen Kloster wenig, gesund und vegetarisch. In Amerika steht daher Zen für gesundes Essen, für vegetarisch, für Bio. Auf der Rückseite des Optimum Zen Bio-Müslis, steht: „Enjoy a Zen Moment every Day“. Auch die stylishen Zen Burger sind vegan. Allerdings ist das Restaurant inzwischen als geschlossen gemeldet.  Das Cross over hat wohl nicht so funktioniert.

Creative Zen Nano plus

Zen Musik
für Schwerhörige

Musik Player Zen Stone

 

 

 

 

 

 

 

Es gibt einige Music Players namens Zen. Manche Meditationen, die Entspannung versprechen, werden von Musik begleitet, allerdings gibt es das nicht im Zen. Hier wird der Begriff „Zen“ synonym für „Meditation“ gebraucht. Besonders witzig: Ein Hörgeräte Spezialist hat für Schwerhörige mit Tinnitus ein Hörgerät entwickelt, das mit harmonischen „Zen“-Klängen den Hörstress abbaut.

Ski Zenoxide

Lausfschuh Zen

Messer Zen-Sation

Die vierte Kategorie ist anders. Der Ski, der Schuh, das Messer, das sind Produkte, die Dynamik und Kraft symbolisieren. Da geht es zur Essenz der Funktion. Das Styling ist reduziert, häufig schwarz. Der Blick wird auf das Wesentliche gerichtet. Sie vermitteln konzentrierte Energie,  bei entspannter Mühelosigkeit.

The Zen of Screaming
Stimm-Coaching

Ausserhalb der obigen Kategorien steht „The Zen of screaming“. In der Beschreibung steht: Metal Music Sänger schreien 90 Minuten lang. Da leidet die Stimme. Dieser Kurs verspricht ein Stimmcoaching fürs Schreien. Es geht um das „Nur Schreien“.

Da kommt mir in den Sinn, dass das Wort „Rinzai-Zen“ in China als Synonym für „Schreien und Schlagen“ verwendet wurde.

Auch heute noch wecken Zen-Lehrer die Dösenden mit einem Schrei aus ihrem Halbschlaf. The Zen of Screaming hat mehr mit Zen zu tun als die Wellness-Ladies, die einen Tee verkaufen. Es beinhaltet Dynamik, Kraft und absoluten Einsatz.

Auf den zweiten Blick ist es bei vielen Produkten nicht so absurd, dass sie Zen heissen. Sie haben Aspekte des Zen  in sich, sei es die Konzentration, der Blick für das Wesentliche, das Reduzierte, das Natürliche, das Dynamische. Gibt es noch weitere Zen-Produkte? Ich würde mich freuen, meine Sammlung erweitern zu können!

Die Haltung, nicht das Resultat zählt

Kalligraphie Rieko Mori

Ich habe mich immer gewundert, dass in Japan häufig das Resultat weniger zählt als das Bemühen, das heisst die innere Haltung. Wenn jemand z.B. ein neues Projekt in Angriff nimmt, sagen wir in Europa „viel Erfolg!“, in Japan kann es sein „gambatte kudasai“. Das heisst „Streng Dich an!“.

Zwei verschiedene Kulturen – zwei verschiedene Zugangsweisen. Es ist bereichernd, aus der Perspektive der einen Kultur auf die andere zu sehen.

Wenn man in Japan Kalligrafie lernt, dann gibt es Wettbewerbe. Dabei sieht die Jury nicht darauf, ob die Form der Schrift, d.h. das Resultat gut ist, sondern achtet auf die Pinselführung beim Schreiben. Die Pinselführung offenbart einerseits ob man bei einem guten Lehrer gelernt hat, andererseits zeigt sie aber auch die innere Konzentration und die Haltung. Sie macht sichtbar, ob die Schreibende in ihrer Mitte ist, ihre Körperhaltung stimmig ist. Sie zeigt, ob Gedanken den Fluss des Schreibens stören, oder ob  jede Zelle des Körpers „mitfliesst“.

Chawan – Ausdruck des eigenen Wesens

Die Schönheit einer japanischen Teeschale entsteht aus der Haltung des Keramikers, der die Teeschale geschaffen hat. Ohne angestrengtes Bemühen, eine besondere Schale formen zu wollen, entsteht die Schale aus dem inneren Wesen des Künstlers. Der Mensch und der Prozess sind eins. So verschwindet die Gegenüberstellung „Künstler schafft Kunstobjekt“. Die Bemühung hat vielmehr davor stattgefunden, eben jene Haltung und Einstellung zu erreichen, aus der dann Kunst entsteht.

Wie übt man diese Haltung? Der Königsweg dazu ist Zazen. Zazen ist keine Quickfix-Übung, die man mal an einem Wochenende erlernt. Es dauert lange, Monate, Jahre, Jahrzehnte.

Im „Sitzen“ lernen wir die Einheit von aussen und innen, von Willen und Nichtwillen (nicht immer einfach ;-)) von Erreichenwollen und Absichtslosigkeit. Und tauchen ein in Momente, in denen die Zenübung und wir eins werden und letztlich die Übung verschwindet ebenso wie die handelnde Person. Dann verstehen wir, was die Künstler, die Keramiker und die Kalligraphen damit meinen, dass ihr Werk aus ihrem Wesen, bzw. Nichtwesen entsteht.

Ich wende mich jetzt einer ganz anderen Ebene zu und frage mich, hat das eine Parallele  im alltäglichen Arbeitsleben?  Zählt für uns nur das Endresultat oder achten wir auch darauf, wie wir dieses Resultat erreichen?  Nehmen wir mal unseren Arbeitsplatz her. Offenbart er unsere innere Einstellung zur Arbeit? Ist er so übersichtlich, dass wir alles sofort finden oder türmen sich die Papiere in einem Sauhaufen übereinander? Der Sommer ist eine gute Zeit, Dinge abzuschliessen und wieder Klarheit in unsere Arbeitsumgebung zu bringen. Ich habe heute jedes Stück und jedes Papier auf meinem Schreibtisch in die Hand genommen und mich gefragt, ob ich es wirklich brauche. Jetzt fühle ich mich viel klarer und bereit, wieder Neues in Angriff zu nehmen. Meine innere Haltung zur Arbeit hat sich verändert. Ob ich es jemals schaffe, meinen Arbeitsplatz so zu vereinfachen wie meinen Zazen-Platz? Ich glaube nicht. Aber doch mache ich mich auf den Weg…

Buchempfehlung

Übrigens wer sich für ein gutes Buch zum Thema asiatische Keramik und ihren Bezug zu Zen interessiert: hier der Titel (leider schon vergriffen): Soetsu Yanagi: Die Schönheit der einfachen Dinge. Mingei – Japanische Einsichten in die verborgenen Kräfte der Harmonie.

Von der Zeit benutzt

Fühlen wir uns nicht oft  getrieben von unseren Terminen und meinen, zu wenig Zeit zu haben?  Wir drehen ein Rädchen dort, und eine Schraube da. Wir möchten/müssen dies und jenes tun, die Zeit reicht aber einfach nicht. Gleichzeitig meinen wir, wir könnten auf nichts, was wir in unser Leben hineingepackt haben, verzichten.

Im Zen heisst es, wenn Du Zeit hast, sitze eine halbe Stunde. Wenn Du keine Zeit hast, eine ganze Stunde.
Dieser Satz scheint absurd zu sein. Noch mehr meditieren, wenn wir ohnehin zeitknapp sind?  Ja. Denn dann sehen wir klarer, was wirklich wichtig ist im Leben. Die Gewichtung der Dinge verändert sich. Probieren Sie es aus!

 

Joshu Jushin (778-897), einer der wichtigsten Zen-Meister der Tang-Zeit (618-907) hat gesagt:

„Bevor ich wusste, dass ich selbst der Weg bin, wurde ich von der Zeit benutzt. Als ich aber verstand,    dass der Weg nichts anderes als mein eigenes Selbst ist, wurde ich nicht mehr von der Zeit benutzt.  Nun lebe ich, indem ich die Zeit gebrauche.“

Zen in der lauten Welt

Zen-Praxis braucht vordergründig Stille. Die Stille und der geordnete Ablauf in Zen-Klöstern und in intensiven Übungsperioden (Sesshin – 1 Woche, Kessei – 3 Monate) ) sind der ideale Nährboden, um die eigene  Zen-Übung zu vertiefen. Intensive Zen-Praxis über viele Stunden sind eine besondere Erfahrung und ein Geschenk. Nur: wer will sein ganzes Leben im Kloster verbringen? Oder im Permanent-Sesshin?

Nach den Übungsperioden kehren wir in die Welt zurück.  Manches Mal empfinden wir den Bruch sehr stark, nach einer Woche stiller Zen-Übung wieder in die lauten Bahnhofshallen und ins Bürotreiben zurückzukehren.

Auch im Alltag meditieren wir täglich, oft am Morgen. Und dann beginnt der Wahnsinn, auf den Strassen und in den U-Bahnen, in den Meetingräumen und in den Supermärkten. Die innere Stille bleibt zwar in gewisser Weise, aber oft fürchten wir sie zu verlieren. Die Welt nimmt uns gefangen, und es erscheint uns schwer immer wieder, jeden Tag in die Stille zurückzukehren.

Ta-Hui (1089-1163)

Der chinesische Zen-Meister Ta-Hui (jap. Daiei,1089-1163) hat schon vor beinahe 1000 Jahren über diese Problematik nachgedacht. Er schreibt an einen seiner Schüler, einen Laien, der mitten im Business-Leben steht: „Gerade wenn Du Ruhe magst und das tägliche Gehetze verabscheust, solltest Du mit aller Kraft üben. Denn wenn die Kraft, die Du in der Stille erreicht hast, frontal auf die tägliche Hektik trifft, wird die Wirkung, die Du erreichst viel stärker sein.“

Es ist eine besondere Herausforderung in dieser lauten Welt die innere Stille und Mitte zu bewahren. Doch gerade im täglichen Stress bewährt sich die Zen-Praxis. Strahlen wir selbst Kraft und Stille aus, dann praktizieren wir Zen nicht nur für uns selber, sondern auch für andere Menschen.

Zen oder Zen-Buddhismus?

Vor zwei Tagen sprach ich am Speakers Day in Fohnsdorf. Eine exzellente Veranstaltung, die das BMS dort unter der fachlichen Anleitung von Magda Bleckmann organisiert hat. Das lokale Fernsehen war auch da. Die erste Frage, die sie mir beim Interview stellten, war: Sie sprechen von Zen, ist das das gleiche wie Zen-Buddhismus? Diese Frage hat es in sich. „Zen ist kein „ismus“, denn es deutet auf die Erfahrung hin, die jede/r selbst macht“, so sage ich meistens.

Ich erkläre oft, dass das Wort Zen aus dem Sanskrit Wort dhyana kommt, das in China zu Channa und dann zu Chan und schliesslich in Japan zu Zen geworden ist. Und das Wort dhyana bedeutet nichts anderes als einfach „Meditation“.  Zen-Buddhismus bedeutet also nichts anderes als einfach Meditations-Buddhismus. Es scheint ein absurder Pleonasmus zu sein. Denn die Meditation war ja schliesslich der Kern von Buddha Gautamas Erfahrung. Doch nicht in allen buddhistischen Richtungen steht die Meditation im Vordergrund. Es gibt  Volksbuddhismus, Buddhismus der Ordensregeln, Buddhismus, bei dem das Studium der Schriften im Vordergrund steht – und nicht zuletzt der Buddhismus, in dem die Buddhisten  Buddhas anbeten und sich von ihnen Hilfe erhoffen.

Menschen, die in unser Zen-Zentrum kommen und Unterweisung in Buddhismus suchen, gehen meist wieder. Menschen, die Erfahrung suchen, die bleiben. Im Zen verlangt jede Frage eine Antwort aus mir selbst heraus. Und dieses Selbst bleibt nicht gleich. Die Frage stellt sich daher wieder und wieder und wieder.