Das Geschenk annehmen

„Drei Tage lang haben wir nur Eier gegessen!“ erzählte mir ein Freund, der vor kurzem in einem japanischen Zen-Ausbildungskloster als Mönch gelebt hatte. Zen-Mönche leben nur von Spenden. Nichts wird dazu eingekauft. Gegessen wird das, was Bauern und Kaufleute dem … Weiterlesen

Zen an der Kasse

Der Scort berichtet....

Der Scout berichtet….

Daniel hatte es mir schon vor sechs Monaten erzählt. Er ist Künstler und hatte sich als regelmäßige Einkommensquelle einen Knochenjob ausgewählt. Und er verstand ihn als Zen-Übung.

800 Kunden pro Tag, blitzschnell die Waren über die Kasse ziehen, im Kopf das Wechselgeld ausrechnen – das wird dort nicht am Terminal angezeigt – und dabei nicht die Nerven verlieren. Das ist seine tägliche Arbeit an der Supermarktkasse von Hofer (in Deutschland Aldi). Die Herausforderung ist nicht nur die Schnelligkeit der Arbeit bei wenig Platz zum Abstellen, sondern die Befindlichkeit der Kunden. An der Kasse schafft sich so mancher ein Ventil für den Lebensfrust und lässt seinen Ärger am Kassenmann und an der Kassenfrau aus. Dieser könnte leicht grantig werden (deutschdeutsch: übellaunig werden) oder … man macht es so wie Daniel.

Daniel sieht es als gute Übung bei sich zu bleiben, sich auf den Atem zu konzentrieren und dabei gleichzeitig zu achten, was der Mensch vor ihm braucht. Eine Übung der vollkommenen Achtsamkeit, schwierig bei einem Takt von 30 Sekunden pro Einkauf. Vor einigen Tagen schickte ihm ein Freund einen kleinen Artikel der Tageszeitung Kurier mit der Anmerkung „Damit bist wohl Du gemeint.“ Im Artikel schreibt ein Gastrokritiker sein Erlebnis bei Daniel an der Kasse:

„Schnell was einkaufen bei Hofer, Nussdorfer Straße 4, Wien 9. „Grüß Gott“ sagt der junge Mann an der Kasse und schaut mir dabei in die Augen. Dann greift er zuerst auf das Papiersackerl,  das weiter hinten am Förderband liegt, zieht es über die Kassa, faltet es auf, stellt es auf die Ablage. Piep, piep, piep, steckt er meine Einkäufe auch gleich ins Sackerl. Bitte, danke, auf Wiedersehen, schönen Tag, wieder ein Blick in die Augen. Wow, so nett kann so eine Kassen-Begegnung sein, trotz aller Schnelligkeit.“

Wenige Tage später sieht Daniel einen Vater mit zwei quicklebendigen Kindern und einem Riesen Einkauf. Er denkt sich, „Da muss ich helfen. Der schafft es nicht alleine“, zieht wieder das Sackerl über die Kasse und räumt die Waren gleich ein. Als der Kunde zahlt, sagt dieser: „Na, haben Sie sich über den Artikel gefreut?“ Darauf Daniel: „Sind Sie der Redakteur?“ Nein, sagt der Kunde, „Ich bin der Verleger“.

Daniel erzählte uns die Geschichte bei unserem Sommerfest und wir freuten uns alle mit. So kann Zen-Meditation die Welt verändern – im Kleinen wie auch im Großen.

Gelebte Achtsamkeit

SchmetterlingOft sind es Kleinigkeiten, die überraschen und nachdenklich machen. Vor einiger Zeit mussten wir unser Zendo wegen Umbauarbeiten in eine Ausweichwohnung umsiedeln. Sie war abgewohnt, weil sie davor als WG benützt worden war. Wir brachten sie zwar mit großem Putzeifer auf Hochglanz. Dort und da blieben Sticker an den Türen und – vor allem – viele Löcher in den Wänden. Kein schöner Anblick, aber wir dachten alle, es sei ja nur für kurze Zeit.

Karte

Eine Woche nach dem Umzug kam ich ins Zendo und – es hatte sich etwas verändert. Ein kleiner Schmetterling klebte auf der Wand, genau dort, wo vorher ein Riesenloch gewesen war. Über die schwarzen Aufkleber hatte jemand  hübsche Karten mit japanischen Mustern geklebt. Niemand wusste, wer es gewesen war, ein Zen-Heinzelmännchen hatte unseren Meditationsort verschönert.


Im Zen lernt man viel  durch Wahrnehmen und Beobachten. Jedes Mal wenn ich in das Zendo komme, erfreue ich mich an dieser kleinen Verschönerungsgeste. Ein Fingerzeig für mich, mich darum zu kümmern, Orte aufmerksamer zu verlassen.  Natürlich sind wir alle so erzogen, den Status quo herzustellen, den wir vorgefunden haben. Z.B. in einem Cafe die Sessel  hineinrücken beim Weggehen oder im Selbstbedienungsrestaurant das Tablett wieder zurückzutragen.

Wie viel schöner ist die Idee, einen Ort besser zu verlassen als wir ihn vorgefunden haben! Betätigungsfelder gibt es viele! Öffentliche Toiletten ;-), Kaffeehäuser, Wanderwege, der Gehsteig, das Führerscheinamt, ein Hörsaal. Wir nehmen wahr und wir verändern den Ort zum Guten. Eine kleine Geste der gelebten Achtsamkeit, eigentlich nicht viel. Und doch kann es der Höhepunkt unseres Tages sein.

Achtung! Achtsamkeit!

Vor einigen Tagen traf ich einen alten Zen-Freund. Er war in einem deutschen Zen-Kloster gewesen, wo Achtsamkeit praktiziert wurde. Er sagte: „Alles haben sie achtsam gemacht. Sie sind achtsam gegangen, haben achtsam gekocht und achtsam Blätter eingesammelt. Die waren so achtsam, es war zum Kotzen!“

An jeder Ecke der Zen-Welt begegnen wir dem Wort Achtsamkeit. Dabei stellen viele Menschen einen hohen Anspruch an sich selbst. Sie wollen achtsam essen, achtsam Geschirr abwaschen, achtsam gehen und telefonieren. Und setzen sich damit erheblich unter Druck.

Einige Jahre vor ihrer Achtsamkeitspraxis lebten sie wie viele andere auch. Manche wollten ihren Abschluss an der Universität in Bestzeit machen, andere arbeiteten darauf hin, zum Senior Consultant befördert zu werden oder die gefragteste Grafikerin der Stadt zu sein. Dann merken viele, dass sie unter diesem Druck nicht weiterleben wollen. Also wenden sie sich einer Praxis wie dem Meditieren oder der Achtsamkeit zu. Doch auch dort wollen sie viel erreichen. Sie bemühen sich, sich noch mehr zu konzentrieren oder wollen jeden Moment ihres Lebens, von 7 Uhr früh bis 23 Uhr  in Achtsamkeit leben. Viele Meditierende ersetzen das eine Ziel nur durch ein anderes. Sie bewegen sich andauernd auf ein Ziel zu und sind dann unzufrieden, wie und wo sie gerade sind. Damit produzieren sie sich selbst Druck und Schuldgefühle und fangen dann möglicherweise an, nicht nur sich selbst am Achtsamkeits-Zollstab zu messen, sondern auch andere. Das war es, was meinem Zen-Freund unangenehm auffiel.

Er erklärte seine starke Gegenreaktion auf die Achtsamkeitspraxis: „Als ich dorthin kam, war ich wie ein Aussätziger. Sie liessen mich spüren, dass ich dauernd Fehler in der Achtsamkeit machte. Dadurch entstand ein Hierarchiegefälle von jenen, die „ach, so achtsam“ sind zu den anderen, die noch nicht so weit sind.“ Das war dann letztlich ein Druck wie im „normalen Leben“ auch.

Ich bin ehrlich, ich tue mir schwer mit der Achtsamkeit im täglichen Leben. Wenn ich vor meinem Computer sitze und einen Blog schreiben will, ist mein Hirn wie ein Stück nasser Seife. Kaum will ich es auf den Text richten, glitscht mir das Hirn mit 100 anderen Gedanken davon. Es ist sehr schwer, mit dem Willen achtsam zu sein. Und ich glaube, vielen anderen geht es genauso.

Deshalb verlasse ich mich auf die gute alte Zen-Meditation. Da kann sich mein Willen ausruhen und ich muss nur sitzen, sitzen, sitzen. So wie jetzt in der sogenannten Rohatsu-Woche, wo das Fähnlein der 7 Aufrechten – in Wahrheit sind’s glücklicherweise meist mehr – mit mir ab 16.00 bis in die Nacht meditiert. Gestern war der fünfte Tag. Wenn wir so Stunde um Stunde sitzen, zerbröselt der Wille, die Gedanken geben es irgendwann auf, sich einzumischen und ein anderes Gesicht erscheint – lächelnd und heiter. Sind wir dabei achtsam? Ja das kann sein – vor allem aber leben wir Moment für Moment in der Freude.

Putzen: Katharsische Zen-Praxis

Yippii, ich freue mich sehr, dass sich für das morgige Putzen im Zendo 5 (fünf!) Leute gemeldet haben! Warum, das lest Ihr hier.

Fleur in Japan 1978

Leben auf 10 m2

Fleur-Küche 1978

Der Herd am Gang

Vor vielen Jahren, als ich in Japan studierte, bewohnte ich ein sechs Tatami-Zimmer mit Kochplatte im Gang. Kein Badezimmer. Sechs Tatami, das sind ca. 10 m2. Im Vergleich zu anderen meiner Freunde, die nur 5 m2 zur Verfügung hatten (3 Tatami) , war das üppig. Es passte ein kleiner Tisch, zwei Kissen am Boden und ein Regal hinein. Das Futon zum Schlafen holte ich am Abend heraus und verstaute es am Morgen wieder im Kasten. Ich hatte alles was ich brauchte. Da der Platz sehr begrenzt war,  machte ich  auch jeden Tag sauber. Heute wohne ich auf viel mehr Quadratmetern. Das ist auch schön. Ich habe ein Klavier, auf dem ich spielen kann, ein Büro mit vielen Fachbüchern, eine große Küche. Und dennoch…

Die alten Zen-Meister hatten ihren Meditationsplatz im Kloster oder eine winzige Einzimmerhütte am Berg. Es war selbstverständlich, dass sie dieses Zimmer jeden Tag (!) reinigten und ihre wenigen Siebensachen selber instand hielten. Es war für sie ein Teil ihrer täglichen Meditationspraxis.

Ein solcher Aufwand jeden Tag ist für die meisten Menschen heute gar nicht möglich. Zu große Wohnungen, zu wenig Zeit. Viele Jahre lang beschäftigte ich auch Haushaltshilfen, die es mir ermöglichten, meine Familie, Karriere und meine Wohnung irgendwie unter einen Hut zu bringen. Seit fünf Jahren ist mein Leben nicht mehr so kompliziert. Und seither übernehme ich selbst Verantwortung für die Dinge, die ich besitze. Es gelingt mir noch immer nicht vollständig, aber es wird besser. Drei Faktoren scheinen mir einen Einfluss zu haben.

1. Ich merke, dass sich die Beziehung zu den Räumen und den Dingen darin ändert, wenn ich für sie sorge. Jedesmal wenn ich einen Raum reinige, Bücher in die Hand nehme, Regale abstaube, entsteht in mir ein Gefühl, dass sie versorgt sind. Es ist ein körperliches und geistiges Gefühl des Wohlbefindens. Ich stelle eine Verbindung zu den Dingen her, ich fühle mich aufgehoben.

2. Die Aufmerksamkeit bei dieser Tätigkeit verhindert, dass mein Kopf ganz woanders ist, während ich arbeite. Körper und Geist spielen zusammen. Ich komme in den Moment.

3. So wie mein Körper die Räume reinigt, so wirkt es sich auch auf den Geist katharsisch aus.

Auch in unserem Zen-Zentrum muss regelmäßig geputzt werden. Neulinge, die noch nicht lange meditieren, fragen häufig, warum wir keine Putzfrau beschäftigen. Alte Zen-Hasen merken aber die Auswirkung auf sich selber. Und auch der Raum hat sich für sie verändert, wenn sie den Boden gewaschen oder die Tatamis gelüftet haben: „ Ich freue mich über die Sauberkeit hier und es hat in mir auch etwas bewirkt, ich fühle mich innerlich wie frisch geduscht,“ sagte eine Zen-Putzerin.

Und jetzt wisst Ihr, warum ich mich so gefreut habe, dass fünf Menschen morgen in das Zen-Zentrum putzen kommen. Es zeigt nicht nur, dass so viele die Verantwortung für die gemeinschaftlichen Räume übernehmen, nein, es zeigt auch, dass sie verstanden haben, dass Zen nicht nur auf der Matte, sondern im täglichen Leben stattfindet.

Schlaflosigkeit: Was tun?

Der Nachtdämon schlägt zu

Kennen Sie die „Nachtdämonen“?  Gedanken, Ängste und Probleme, die justament beim Einschlafen auftauchen und ihnen dauernd im Kopf herumgehen?  In der Dunkelheit der Nacht plustern sich Kleinigkeiten in  riesige Ängste auf, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Es sind reine Kopfgeburten, Hirngespinste, die sich dann untertags in Nichts auflösen können. Aber sie haben große Macht über uns Menschen, wenn wir im Bett liegen. Jedes kleinste Problem eignet sich, uns den Schlaf zu rauben. Viele Mütter liegen wach, weil ihre halbwüchsigen Kinder noch spät unterwegs sind und malen sich aus, was ihnen zugestoßen sein könnte. (Da spreche ich aus Erfahrung…)  Oder Sie haben am nächsten Tag eine Präsentation vor kritischen Personen und sehen vor Ihrem geistigen Auge mit Horror, wie Sie in der Luft zerrissen werden. Oder Sie stehen vor einer schwierigen Aussprache und fürchten, die Anerkennung und Liebe eines für Sie wichtigen Menschen zu verlieren.

Wie werden Sie die Nachtdämonen los? Mein Tipp ist: Kehren Sie in die Wirklichkeit des Moments zurück.

Konzentrieren Sie sich auf das Ein- und das Ausatmen. Schon die ersten bewußten Atemzüge können Ihnen helfen, sich friedlich zu fühlen, möglicherweise fangen Sie in der Dunkelheit sogar an zu lächeln. Damit die Dämonen nicht gleich wieder zurückschlagen, denken Sie in Sätzen, was gerade in diesem Moment passiert: „Ich atme aus“, „ich atme ein“.  Wenn Sie aufstehen, um ein Glas Wasser zu trinken, dann kommentieren Sie Augenblick für Augenblick, was Sie gerade tun. „Ich setze meinen rechten Fuß auf den Boden. Ich stehe auf und gehe zur Türe. Ich greife die Türklinke an und öffne die Türe. Ich greife nach dem Becher und lasse Wasser hineinfliessen. Undsoweiter undsoweiter. Der gegenwärtige Moment entspannt den Körper, Sie merken, was tatsächlich „ist“. Die gedachten Sätze helfen Ihnen, nicht abzudriften. Probieren Sie es aus!