Das Haiku-Prinzip – Grenzen setzen, das Wesentliche bestimmen und Handeln

Schlicht: das weisse Hemd

Die neue Schlichtheit

Mein Partner Paul überraschte mich vor einiger Zeit als er sagte: „Jetzt kaufe ich mir 14 weisse Hemden, dann habe ich endlich die Sorge los, dass ich mich jeden Morgen entscheiden muss, was ich anziehe. Und ich muss mir nicht überlegen, ob man zum gelben Hemd einen rosa Gürtel nehmen kann.“ 14 weisse Hemden, eine interessante Idee, samt der Kalkulation mit welchem Budget man für die Putzerei – jede Woche 7 Hemden – zu rechnen sei. Man spart Platz – indem man alles andere aus dem Kasten entfernt – und – unnötige Gedanken, die für manche Menschen mehr Stress als Vergnügen sind.

Innerhalb einer Woche gaben mir zwei weitere Aussagen zum gleichen Thema weiter zu denken.

Die Geschäftsführerin einer IT-Consulting Firma, 30 Jahre alt, tough und in High Heels genauso wie in Sneakers zu Hause, erzählte mir, sie hätte ihren Kleidungskasten erheblich reduziert. Sie gehe nur mehr in zwei Geschäfte von denen sie weiß, dass sie ihrem Stil entsprächen. Sie verbiete es sich, von der Auslage eines anderen Geschäfts zum Hineingehen verführt zu werden. Ihrer zweijährige  Tochter habe sie auch nur ein Paar Schuhe gekauft. „Das Leben ist ohnehin so kompliziert, da brauche ich meine Gedanken bei wichtigeren Dingen“.

Zwei Tage später besuchte mich ein 50 jähriger Unternehmer, Chef von mehr als 100 Mitarbeitern, einer der Vorzeige-Unternehmer Österreichs.  Er ist vor kurzem umgezogen und da reduzierte er gleich seinen Kleiderstand auf zwei Jeans, einen Anzug und vier weisse Hemden. Und: “ Es lebt sich viel leichter so, Du glaubst gar nicht, wie mich das befreit!“

Innerhalb von einer Woche hörte ich etwas Ähnliches von drei verschiedenen Personen! Sie beschränken ihre Garderobe, um ihren Kopf für Wichtiges frei zu haben. Sicherlich auch ein Aspekt, warum früher Schüler und andere Berufsgruppen einheitliche Kleidung trugen. Mein Zen-Lehrer z.B.  trägt „in Zivil“ immer einen Samu-e, einen  „Zen-Arbeitsanzug“ aus grauem Anzugsstoff, ob im Theater oder untertags auf der Strasse. Das erspart eine Menge Sorgen.

Die Sehnsucht nach Vereinfachung des Lebens erstreckt sich über viele Bereiche. Von alleine kommt das einfache Leben aber nicht. Es bedarf einer Entscheidung und der darauf folgenden Konsequenz zu einigen Dingen „Nein“ zu sagen.

Oft wird Zen mit „Weniger ist mehr“ in Verbindung gebracht. Die Reduktion auf das Wesentliche IST für viele Menschen Zen. Eine der vielen Ausformungen davon ist die Dichtform des japanischen Haiku. Viele Zen-Meister waren auch gleichzeitig Haiku Dichter, der berühmteste unter ihnen ist Basho.

Ein Haiku kommt mit 17 Silben aus – nicht mehr und nicht weniger. In diesen 17 Silben wird  ein Moment eingefangen, z.B.  das „Platsch“ des Frosches, der in den Teich springt. Nur das Wesentliche eines Moments. Der Dichter muss den Moment in kondensierten 17 Silben unterbringen und diese Beschränkung ist genau das Wichtige daran und führt den Dichter zur Höchstleistung, zur Vereinfachung.

Das Prinzip des Haiku können Sie auf jeden Bereich Ihres Lebens anwenden. Der erste Schritt ist:

1. Setzen Sie sich Grenzen. Das tut die Geschäftsführerin, indem sie nur in zwei Geschäfte einkaufen geht. Oder der Unternehmer, der sich nur auf weisse Hemden beschränkt. Sie könnten sich auf nur zwei Farben beschränken, z.B. schwarz und rot. Oder Sie nehmen sich vor, nicht mehr nach Schnäppchen zu jagen, die dann zu nichts anderem in der Garderobe passen, sondern gezielt einzukaufen. In allen Bereichen des Lebens, wann immer Ihnen etwas über den Kopf wächst, hilft es, sich Grenzen zu setzen. Um jedoch die wichtigen Grenzen zu setzen, müssen Sie wissen, was das Wesentliche ist. Das führt zu Punkt zwei.

2. Bestimmen Sie das Wesentliche. Im Haiku ist das Wesentliche dieser EINE Moment, den der Dichter uns in seiner  Lebendigkeit spüren lassen will. Durch die Konzentration auf diesen einen Moment lässt er alles Beiwerk, alls Unwesentliche weg und gibt dort die Kraft hinein.

Bei Kleidern gibt es mehrere Entscheidungsmöglichkeiten, was für Sie wesentlich ist. Eine wäre etwa, nur Kleider zu kaufen, die möglichst leicht zu reinigen sind. Eine andere,  nur zeitlos hohe Qualität einzukaufen, damit Sie lange nicht mehr einkaufen gehen müssen. Eine weitere wäre, dass Sie sich für einen bestimmten Stil entscheiden und dann gnadenlos alles andere weggeben. Manchmal tut ein Blick von aussen Wunder. Eine Freundin und Stilexpertin etwa hat mir sehr geholfen, die Finger von unpassenden Kleidungsstücken zu lassen. Ich kann mich jetzt besser beschränken (aber ich habe noch ein Stück Weges vor mir
;-))

3. Handeln Sie.  Nach der Entscheidung, was wesentlich ist und worauf Sie sich konzentrieren wollen, HANDELN SIE!  Nur denken hilft nicht! Trennen Sie sich von Unwesentlichem. Sagen Sie „Nein“ zu Ablenkungen und Gelegenheiten, die Sie vom Wesentlichen abhalten. Und erkennen Sie, dass Neinsagen ein Versprechen Ihnen selber gegenüber ist, sich an das Wesentliche zu halten.

Zum Schluss noch zwei Buchtipps , die mir geholfen haben, mein Leben zu entrümpeln:

Babauta2

Leo Babauta: Weniger bringt mehr. Riemann Verlag 2009

Arigato Danke

Bild

Ari-gatai —— Danke

Jede Kultur hat die Worte, die sie sich macht. Da ist ein Kulturvergleich manchmal sehr spannend. Das deutsche Wort „danke“ zum Beispiel bedeutete ursprünglich „Denken, Gedenken“ und bezeichnet damit „das mit dem (Ge)Denken verbundene Gefühl und die Äusserung dankbarer Gesinnung“. „Danke“ hat also etwas zu tun mit „an etwas dankbar denken“.

Ganz anders im Japanischen, das mir sehr nahe liegt. Im Japanischen heisst „danke“ arigato, ein Wort, das aus dem buddhistischen Denken kommt. Dieses Wort setzt sich eigentlich aus zwei Wörtern zusammen, aus „ari“ und „gatai„. „ari“ bedeutet „sein“ und „gatai“ heisst „schwer“. „Arigatai“ wird dann verwendet, wenn etwas Seltenes, Ungewöhnliches passiert. Daraus, aus diesem Seltenen, Ungewöhnlichem, erwächst ein Gefühl der Dankbarkeit und man sagt „arigato„.

Gestern war ich im Wienerwald wandern. Ich hatte mir vorgenommen den Pilgerweg von Wien nach Mariazell in Etappen zu gehen. Meinen kleinen Smart stellte ich vor der Wallfahrtskirche in der kleinen Ortschaft Hafnerberg ab und ging mehrere Stunden nach Klein Mariazell den Berg hinauf und dann weiter nach Kaumberg. Von dort wollte ich um 18 Uhr den Bus zurück nehmen – die letzte Chance, denn danach gab es keinen mehr.

Ich dachte, ich hätte viel, viel Zeit, doch wurde sie mir immer knapper. Einige Bäume waren gefällt worden, die Markierung war dadurch weg und ich verlief mich. Trotzdem – oh Wunder – kam ich genau richtig knapp vor 18 Uhr zur Busstation. Wunderbar. Erleichtert liess ich mich in den Sitz fallen. Nun musste ich nur noch ins Auto und nach Hause zischen. Beim Smart angekommen, drückte ich beschwingt den elektronischen Knopf am Schlüssel und  –  nichts rührte sich, das Auto ging nicht auf.

Gott sei Dank aber gibt es in diesen Elektronikwunderwuzziautos auch ein Schloss für die Hecktüre. Also kletterte ich von hinten durch den Kofferraum hinein. Ich wollte starten, aber wiederum ging nichts. Wer könnte mir helfen? Das Dorf war ausgestorben, die zwei Gasthöfe hatten geschlossen. Kein Mensch auf der Strasse. Es blieb mir nur übrig, zur Bundesstrasse zu gehen und ein Auto aufzuhalten. Ich stieg aus – und in diesem Moment kam ein Mann aus der Kirche. Er erwies sich als sehr, sehr hilfsbereit. Er fuhr nach Hause, holte Starterkabel, und wir versuchten, die Batterie aufzuladen. Leider bewegte sich immer noch nichts. Die Batterie war es also nicht. Der nette Mann rief einen Freund an, der Mechaniker ist. Dieser kam, obwohl er im Zeitdruck war mit seinen drei Kindern im Auto, schaute sich das Ganze an und konstatierte: „DIESE Elektronik! Ich vermute, der Code in Ihrem Schlüssel passt nicht mehr zum Code im Auto. Haben Sie einen Ersatzschlüssel?“ Ja schon, aber mit?

Ich rief also meinen Mann an und bat ihn, herzukommen. Er hatte Glück und unser Nachbar war so nett und lieh ihm seinen Wagen, etwas, womit er kaum gerechnet hatte, denn es handelt sich um einen sehr teuren Super-Super-Wagen. Er steckte seinen Schlüssel in das Zündschloss und der Wagen sprang an. So endete dieses Problem mit  großer Erleichterung: wahrlich ein Anlass für „arigato„!

Etwas sehr Ungewöhnliches hatte sich ereignet. Der Mann aus der Kirche, der Mechaniker-Freund und unser Nachbar, mein Gefährte -– alle haben zusammengeholfen, damit ich nach Hause kommen konnte. Wunderbar – ich fühlte mich in dieser Welt aufgehoben!

Da fiel mir das Wort meines Zen-Roshi ein, der meinte, je länger man Zen praktiziere, desto öfter passieren wunderbare, geheimnisvolle Ereignisse; desto öfter habe man Anlass um „arigato“ zusagen.

Habt auch Ihr schon solche Erfahrungen gemacht?

Japanreise à la Serendip

Hakuins Tempel

Hakuins Tempel

Dieses Jahr fielen Osterferien und Kirschblüte in den gleichen Zeitraum. Daher war die Planung bei unserer Japan-Reise besonders wichtig. Die Hotels waren schon ausverkauft, die Flüge teuer und die Angst groß, dass wir vor lauter Touristen – ausländischen und japanischen –  manche Plätze gar nicht geniessen werden können.

Es kam alles anders. Japanische Freunde zeigten uns versteckte Kostbarkeiten, bekochten uns mit exquisiten Mönchsspeisen und  führten uns alten Japan-Hasen zu den schönsten blühenden und einsamen Kirschbäumenhainen.

Ich hatte die Reise so geplant, dass wir auf den Spuren wichtiger Zen-Mönche reisten. Zum Beispiel wollte ich unbedingt den Tempel von Hakuin sehen. Hakuin Ekaku (1686-1768) war DER Reformer des Zen. Ohne ihn wäre das Rinzai-Zen ausgestorben oder zumindestens unbedeutend geworden. Also dachte ich, es wäre ein Tempel, wie es üblich ist: mit Eintritt, Führungen, eventuell Audio-Guides. Wir kamen dorthin, es war nichts dort. Ein verlassener Tempel, kein Empfang mit Ticketverkauf, nur die Tempelgebäude und Kies. Da entdeckte ich einen alten Mann in einer Ecke. Ich redete ihn an: Guten Tag, wir kommen aus Österreich und praktizieren Zen. das ist doch der Tempel Hakuins, oder?“ Der alte Mann rief nach hinten: „Hey du, erzähle ihnen doch etwas!“ Hervor kam ein junger Mönch mit wachem, intelligenten Gesicht. In diesem Moment dankte ich dem Himmel, dass ich mich auf japanisch verständigen konnte. Denn so konnte ich mich frei mit ihm unterhalten und ihm viele Fragen stellen. Er war Experte für Hakuin. Er führte uns zu jedem Stein und erzählte dazu. Dabei entwarf er ein lebendiges Bild der damaligen Zeit. Wir sahen förmlich die 40 Mönche herumlaufen und wir spürten ihre Ernsthaftigkeit. Wir konnten die schwierigen Zeiten nachvollziehen, als Hakuin sich darum sorgen musste, die Mönche zu verköstigen. Es war eine Zeit der Hungersnöte und viele waren in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. Hakuin malte  viele Kalligraphien und Tuschebilder, damit er im Tausch dafür Essen für seine Mönche bekam.

Das Grab Hakuins

Das Grab Hakuins

Zendo

Zendo

Der Mönch zeigte uns das Grab Hakuins. Es war nicht das größte, sondern recht unscheinbar.

Zu guter Letzt setzten wir uns noch in die Zen-Halle und meditierten. Es war ein tiefes Erlebnis.

Der Mönch betonte während seiner Erzählungen  immer wieder, es gäbe an diesem Ort nichts zu sehen. Oberflächlich betrachtet hatte er wohl recht. Ich war jedoch inspiriert und aufgeregt, auf jenem Boden zu stehen, wo das moderne ernsthafte Zen seinen Ausgang genommen hat. Dieses Gefühl musste der Mönch wohl gespürt haben, denn am Schluss meinte er: „Es gibt hier nichts Materielles zu sehen, nur der Geist Hakuins ist hier lebendig.“ Genauso empfanden wir das auch.

Wie in der Geschichte von Serendip waren wir auf der Suche nach etwas gewesen und haben etwas anderes, viel Wertvolleres gefunden. Und genauso erlebten wir jeden Tag unserer Japan-Reise. Jeder Tag hat ein überraschendes Tor geöffnet.  Im Laufe der Reise wurden wir schon dreist und haben uns im Vertrauen auf den Serendip-Effekt jeden Morgen gedacht: „Wir müssen nur dorthin gehen und etwas Schönes wird uns passieren“. Ein wunderbares Gefühl, Neugier auf Unbekanntes und trotzdem das Gefühl des Aufgehobenseins zugleich. Dieses Gefühl der inspirierten Leichtigkeit trug uns durch die ganze Reise.

Mit tiefer Dankbarkeit denke ich an alle die Menschen, die uns dieses Erlebnis ermöglicht haben. Danke!

Zazen im Hochhaus

Gestern war es so weit. Vor einigen Wochen war ich Zen-Meister Sasaki Genso in Österreich begegnet. Als ich ihm erzählte, dass ich bald in Tokyo sein würde,  lud er mich spontan ein, in Tokyo an einer Meditationssitzung teilzunehmen.

Sumitomo Hochhaus

Sumitomo Hochhaus

Die Adresse, zu der ich und mein Partner Paul hinbestellt waren, war nicht ein alter Tempelbezirk, sondern ausgerechnet West Shinjuku, das „Manhattan“ von Tokyo –Wolkenkratzer wohin man schaut. Im Sumitomo Hochhaus mit seinen 52 Stockwerken ist das Asahi Culture Center untergebracht, ein populärer Ort der Erwachsenenbildung, wo vom Bildhauern über Ballett bis zum Koto-Spielen (Koto = liegendes Saiteninstrument) hunderte Kurse angeboten werden. Und eben auch: ein Kurs über das Hekiganroku, dem „Bericht von der blauen Felswand“, abgehalten von Sasaki Genso Roshi. Ein Kurs von sechs Einheiten zu 18.000 ¥en, also ca. 150 €.

Als mir Sasaki Roshi in Österreich von seinem Kurs erzählt hatte, hatte ich mir einen Hörsaal vorgestellt, in dem 100 Leute sitzen und seiner Vorlesung über das Hekiganroku (= bedeutende Koan-Sammlung) lauschen würden. Nein, so war es nicht, sondern es war viel kleiner. Wir gingen an einer Reihe von kleinen Räumen vorbei und meldeten uns beim Empfang. Kaum hatte ich meinen Namen gesagt, sprang  schon Sasaki Roshi aus einem Hinterzimmer hervor und kam mir mit ausgebreiteten Armen und breitem Lachen entgegen.

Sasaki Roshi beim Einläuten

Sasaki Roshi beim Einläuten

Er führte uns in einen kleinen Raum, der mit Tatami ausgelegt war. Shoji-Papierwände und Holzbalken rundherum – das Gefühl eines kleinen Tempels war perfekt. Wir bekamen Ehrenplätze zugewiesen, genau gegenüber dem Roshi an der Stirnseite. Die Anwesenden, acht Teilnehmer, waren offensichtlich alt „Eingesessene“, die meisten schon gut über 60 Jahre jung. Eine „Schülerin“, weit über 80 Jahre, sehr gebildet, praktiziert schon seit 50 Jahren Zen und übt schon 30 Jahre lang mit Sasaki Roshi. Die Sitzung begann mit Rezitation (Hannyashingyo). Anschliessend eine Stunde Zaren – selbstverständlich nicht auf Bänckchen sondern auf traditionellen Zafus – und danach eine Stunde Teisho (Lehrrede) über den Fall 34 des Hekiganroku, auf japanisch.

Schnelles Aufräumen

Schnelles Aufräumen

Kaum waren wir mit der Zen-Sitzung fertig, ging es ruck zuck ans Umbauen. Die Kissen wurden hastig weggeräumt, ein Arbeiter mit weissen Handschuhen hob mit geübtem Ruck die Shoji Papierwände aus den Fugen, sodass die Schülerinnen des nächsten Koto-Kurses genug Licht  und mehr Platz zur Verfügung haben. Nach fünf Minuten war der Raum des Zen-Feelings entkleidet.

Small talk after long silence

Small talk after long silence

Die Zazen-Teilnehmer luden uns nach dem gemeinsamen Aufräumen freundlich ein, mit ihnen noch einen Kaffee trinken  zu gehen. Wir plauderten und lachten viel, Sasaki Roshi ist ein ungewöhnlicher und lustiger Zen-Meister. Wir redeten japanisch, deutsch, englisch und französisch durcheinander – jeder, der am Tisch sass, hatte eine andere Sprach-Vorliebe. Hier im Bild das Gespräch mit der 80jährigen auf französojapanisch, Sasaki Roshi gab seine Kommentare auf Deutsch dazu. Zazen im Hochhaus, eine sehr schöne, ungewöhnliche Erfahrung.

Ein wandernder Zen-Meister

Wandermönch

Wander-Meister

Zen-Meister sind gewöhnlich sesshaft, ob in Japan, in den USA oder in Europa. Meist stehen sie in einem Kloster vor (als Roshi) oder einem Tempel (als Osho). Sie sind fast immer an einen Ort gebunden. Sie bilden Mönche aus, lehren Zen-Praktizierende und gelegentlich fahren sie woanders hin, um ein Sesshin abzuhalten.

Heute berichte ich von einem zurückgezogen japanischen Mönch, der keinen festen Wohnsitz hat, sondern in Japan dort und da lebt. Eine befreundete Japanerin hatte mir von ihm erzählt. Er ist im Westen unbekannt und ist doch einer der großen, versteckten Zen Meister in Japan. Ich habe im japanischen Internet eine kurze Autobiographie von ihm gefunden und gebe sie hier – übersetzt – wieder.

„Mein Vater starb während des Krieges und so wurde ich nur von meiner Mutter großgezogen. Wir hatten nie Geld, daher musste ich mir mein Geld als Student selbst verdienen. Ich jobbte als Bergführer und Lastenträger, sozusagen , als Sherpa. Zum Anziehen hatte ich damals nur meine Studentenuniform. Also trug ich  das Gepäck am Rücken der Uniform auf die Berge. Mein Körper wurde dadurch stark und widerstandsfähig. Ich hatte das Studienfach Physik belegt und es war auch sehr interessant. Doch was mich damals eigentlich interessierte, war: Was ist das wahre Leben? Diese Frage beschäftigte mich Tag und Nacht. Ich habe zu jener Zeit nicht ein einziges Mal daran gedacht, wie ich in Zukunft meinen Lebenunterhalt bestreiten würde.

Ich lernte Zen in meinem zweiten Studienjahr kennen. Einmal, als ich meditierte, wurde alles völlig klar und rein. Es war eine ganz stille Welt. Ich fühlte, als ob alles Leben, alles Leiden und alle Schmerzen meine wären. Es war ein Gefühl, als ob ich vollkommen im  „Leben“ baden würde.

Dann bekam ich die berühmte und schwierige  Schrift „Hekiganroku“ in die Hand. „Oh, wie interessant, wie interessant“, dachte ich. Langsam begann ich zu verstehen: „Ach so ist das im Zen!“ Als ich dann später Sawaki Roshi traf,  sagte er mir: „Das ist die Welt des kleinen Satori“.

Das wahre Satori, so erfuhr ich, ist anders. So wie das vollkommen klare Wasser des Teichs das Licht des Mondes glitzernd widerspiegelt, so entsteht im Erwachten ein lebendiges Licht, das sein Denken und Handeln gebiert. Das ist das Grosse Satori. So hat es Meister Dogen beschrieben und so hat es mich mein Zen Lehrer,  Kodo Sawaki, gelehrt. Zu jener Zeit hielt Kodo Sawaki in Kyoto ein Sesshin ab. In mir entstand der Wunsch, den wahren Buddhaweg vollkommen zu erforschen. Und so verliess ich die Universität Nagoya und schrieb mich an der Universität Kyoto für den Masterkurs in Quantenphysik ein, um in der Nähe von Kodo Sawaki zu sein. Ich studierte unter Professor Yukawa Hideki (Anm.: er erhielt 1949 für seine Mesonenforschungen als erster Japaner den Nobelpreis ). Immer wieder dachte ich damals: „Forschen kann ich immer noch. Davor muss ich das Problem von Leben und Tod  lösen. Deshalb praktizierte ich mit Haut und Haaren Zazen. Wo immer Sawaki Roshi hinging, ich war mit ihm. Es war mir nichts zu mühsam, ich dachte nicht an Schlaf. Ich warf mich nur in meine Zen-Praxis.

Zu dieser meiner Studentenzeit suchte ich mir einen Tempel in den Bergen und bat, darin wohnen zu dürfen. Ich schrieb dort meine Abschlussarbeit und lebte dort ein wunderbares Zazen Leben. Ich lebte nur von Vollkornreis und ein paar Rettichblättern, die mir ein Bauer überließ. Das tat meinem Körper sehr gut. Ich war mit diesem einfachen Essen zufrieden und fühlte mich sehr stark. Heute esse ich noch genauso.

Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, dass ich Universitätsprofessor werde, ich wurde aber noch in meiner Studentenzeit Mönch. Seither sind schon ungefähr 50 Jahre vergangen.

Ich gehe jeden Tag um 9 Uhr am Abend schlafen und stehe um 2 Uhr früh auf und übe Zazen. Ich habe kein Zuhause, ich habe keinen Tempel. Ich besitze nichts, nur einen Rucksack und den nehme ich überallhin mit. Wo immer ich bin, ist mein Übungsplatz. Wo immer ich hingehe, wo immer ich mich aufhalte, bin ich dankbar, dort zu sein.“

Es gibt in der Zen-Geschichte viele Beispiele von Mönchen, die herumgezogen sind. Letztlich haben sich die meisten doch entschlossen –  wenn auch erst gegen Ende des Lebens –  in einem Tempel oder Kloster zu wirken. Wird dieser wandernde Zen-Meister wohl auch einmal sesshaft werden und Schüler haben? Oder hat er sie schon, weil wir seine Geschichte lesen?

Der Joshu-Reflex: Tun was ansteht

Eines Tages ging ich mit einem Freund im Wienerwald spazieren. Da lag eine weggeworfene Plastikflasche am Weg. Viele Menschen wären einfach weitergegangen. Er hob sie auf und trug sie so lange bei sich, bis er eine Möglichkeit fand, sie zu entsorgen. Er erzählte mir daraufhin, dass er es zu seiner Gewohnheit gemacht hat, herumliegenden Müll aufzuheben. Oft nimmt er zum Beispiel von einem Teich, wo viele Jugendliche „wild“ baden gehen, leere Bierdosen und anderen Mist mit, damit sich am nächsten Tag die Menschen am schönen Badesee erfreuen können.

Das erinnert mich an die bekannte Geschichte des chinesischen Zen-Meisters Joshu Jushin (778-897). Sie geht so:

Wasche Deine Schale!

Wasche Deine Schale aus!

Ein Mönch sagt zu Meister Joshu: „Ich bin neu hier im Kloster. Gebt mir bitte Unterweisung!“ Darauf Joshu: „Hast Du schon gefrühstückt?“ Der Mönch: „Ja, das habe ich“. Joshu: „Dann geh und wasche Deine Schale aus.“ (Quelle: Mumonkan #7)

Joshu war ein Zen Meister, dessen Größe gerade darin lag, unspektakulär in der Welt zu wirken. Ohne große Diskussionen, ohne viel Herumzuphilosophieren tat er das, was gerade ansteht. Joshu steht für mich für:

1. Das Potential dieses Moments zu erfassen – und –

2. Verantwortung für die Situation dieses Moments anzunehmen

Ich bleibe beim obigen Beispiel. Das bedeutet: Auch bei einem schönen Spaziergang nicht wegzuschauen und sich zu denken, „dafür sind die Müllmänner da“.  Es könnte genauso sein, dass ein Blinder nicht alleine die Strasse überqueren kann, oder dass in der U-Bahn jemand angepöbelt wird. Wir sind immer wieder gefordert, das Gesamtbild des Moment wahrzunehmen und danach zu handeln, auch wenn es anfänglich unbequem zu sein scheint.

Haben Sie auch noch von Ihrer Kindheit im Ohr: „Wer hat das angestellt?“ In der Schule oder auch zu Hause ging es oft darum, die Schuldigen herauszufinden, damit diese das Problem wieder beseitigen, ob es ein eingeschlagenes Fenster ist, oder ein Fleck auf dem Teppich. Die Nichtschuldigen freuen sich und schauen zu, wie die Übeltäter bestraft werden oder es wieder wegputzen müssen. Ob diese Erziehungsmassnahme sinnvoll ist, möchte ich hier nicht beurteilen. Es führt jedenfalls dazu, dass wir uns gar nicht betroffen fühlen von Dingen/Situationen, die wir nicht verursacht haben. Wir lassen sie liegen, wir schieben sie anderen zu.

Andererseits gibt es auch viele Menschen, die ein Problem erkennen und sofort etwas tun, um eine Lösung herbeizuführen. Ohne zu jammern und ohne jemandem anderen die Schuld zuzuschieben. Sie übernehmen Verantwortung, egal, ob es nun von ihnen erwartet wird oder nicht, und gleichgültig, wer das Problem verursacht hat. Das nenne ich den Joshu Reflex.

Mich hat die Tat meines Freundes inspiriert, meinen Jogging-Weg zu „adoptieren“. Ich laufe jeden Tag die gleiche Strecke, einen Weg, der auch oft von Spaziergängern begangen wird. Da liegen Bonbonpapiere, Bierdosen, Plastikflaschen herum. Nach Silvester liegen viele Reste von Knallfröschen und Feuerwerk auf den Wiesen verstreut. Ich habe immer ein kleines Plastiksackerl in der Jackentasche und wenn ich etwas sehe, klaube ich es auf und gebe es hinein. Am Schluss wandert alles in eine Mülltonne. Niemand weiss von meiner „Adoption“ (bis jetzt ;-)), trotzdem macht es mir viel Freude, „meinen“ sauberen Weg jeden Tag entlang zu laufen.

Es würde mich sehr freuen, wenn Ihr die Diskussion aufgreift und andere Beispiele für den Joshu-Reflex beisteuern könntet, ob von Euch oder von anderen Menschen! Klicke einfach unten auf Kommentar und gib uns ein Beispiel!

Wer ist der China-Restaurant-Buddha?

Lachender Buddha Hotei/Budai

Lachender Buddha
Hotei/Budai

Gestern war ich beim Chinesen essen. Er war zwar ein vegetarischer Chinese, deshalb bin ich hingegangen, aber leider kann ich jetzt sicher sein, dass  Glutamat eine vegetarische Zutat ist :-). Aber darum geht es hier nicht.

Vor diesem chinesischen Restaurant steht ein dickbäuchiger lachender Buddha. Und drinnen auf der Theke gleich noch einer (siehe links). Der dicke Bauch passt gut zum Essen, er strahlt Zufriedenheit, Üppigkeit und Fröhlichkeit aus. In seiner Rechten hält er einen großen Sack, in der Linken eine Kalebasse, um den Hals trägt er eine Mala.

Die wenigsten wissen, dass dieser Buddha eigentlich ein Zen-Mönch war. In Japan heisst er Hotei, in China Budai, das bedeutet Jutesack, sein Mönchsname war Qici. Er lebte im 10. Jahrhundert. Er soll hässlich gewesen sein, mit einer vorstehenden Stirn und einem Kugelbauch. Ausserdem hatte er die Angewohnheit, plötzlich in den Schlaf zu fallen, auch wenn er in den Schnee fiel und dort liegenblieb. Er verbrachte sein Leben als Wandermönch  und spielte gerne mit den Kindern auf der Strasse und schenkte ihnen aus seinem Sack Süssigkeiten.

Eines Tages kam ein Mönch auf ihn zu und fragte ihn: „Was ist die Essenz von Zen?“ Da liess Hotei seinen Sack fallen. Dann fragte ihn der Mönch: „Und wie manifestiert man Zen?“ Da schulterte Hotei wieder den Sack und ging weiter.

Hotei auf einer Kalligraphie von Hakuin Ekaku

Hotei auf einer Kalligraphie von Hakuin Ekaku

So grosszügig Hotei zu Kindern und Armen war, so sehr war er auch ein Schnorrer. Er sagte zu jedem, der ihm begegnete: „Hast Du einen Cent für mich?“ Auch als ihn jemand einlud, in seinem Tempel zu lehren, war seine Antwort nur: „Hast Du einen Cent für mich?“ Er sammelte Geld, nicht für sich, sondern um anderen wieder zu geben zu können. So passt er gut in die jetzige Zeit zwischen Weihnachten und „Licht ins Dunkel“ (österreichische Charity Aktion) Silvester. Er ist so eine Art Zen-Weihnachtsmann: Immer gut drauf und mit vielen Geschenken im Sack.

Wenn ich so einen dickbäuchigen lachenden Hotei sehe, dann erinnere ich mich, dass die Fülle des Lebens nur darauf wartet, wahrgenommen zu werden. Ob es ein schöner Weihnachtsbaum ist , oder die weissen zugefrorenen Äste im Winterwald oder auch einfach auf der Matte zu sitzen und still zu werden. Die Fülle ist immer da.

In China und Japan wird er im Volksglauben verehrt, weil viele glauben, Hotei könne Wünsche wahr werden lassen.  So glaubt man in Asien folgendes: Wenn zu Silvester eine Gruppe von Leuten, die einander nicht kennen, zusammenkommt und sie sich mit aller Macht das Gleiche wünschen, dann wird Hotei diesen Wunsch erfüllen.

Was ist Rohatsu?

8. Dezember Rohatsu-Tag

8. Dezember
Rohatsu-Tag

Vom 1. Dezember bis 8. Dezember ist Rohatsu. Rohatsu bedeutet nichts anderes als der 8. Tag des 12. Monats. Es war an diesem Tag, als der Morgenstern sich am Nachthimmel zeigte,  dass Buddha Shakyamuni aus der geistigen Nacht ins Licht getreten ist, an dem er „Erleuchtung“ erlangt hat. Deshalb nennt man diesen Tag auch „Bodhi-Tag“, Erleuchtungstag. Die Zen Praktizierenden dieser Welt sitzen gewöhnlich in den Tagen davor, vom 1. bis 8. Dezember in einem Rohatsu-Sesshin besonders intensiv.  Auch in unserem Zen-Zentrum haben sich einige zusammengetan, um täglich von 16 Uhr bis 21.30 zu sitzen, so können wir – ohne Urlaub zu nehmen –  mit zehntausenden Menschen rund um die Welt gleichzeitig meditieren.

Wie Rohatsu begangen wird, ist von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Meist mit 12- 15 Stunden Zazen am Tag/Nacht und nur  2 Stunden Schlaf. In manchen Gruppen sitzt man ein, zwei Nächte durch. Ich erinnere mich an eine Zen-Kollegin, die  4 Tage und Nächte hintereinander am Stück gesessen ist, ohne nur einmal die Augen zuzumachen. Oft sitzt man nur die letzte Nacht vom 7. auf 8. Dezember quasi wie Buddha Shakyamuni durch und feiert den Abschluss bei der Morgendämmerung.

So viele Stunden durchzumeditieren ist nicht einfach. Schon am zweiten Tag beginnen die Schwierigkeiten. Sie können körperlich oder psychisch sein. Die Schultern  und der Nacken sind verspannt, stechende Schmerzen im Knie oder auch innere Widerstände wie „Wozu tue ich mir das an?“ und Aggressionen sind normal. Im Bericht über die Zeit vor Buddha Shakyamunis Erleuchtung tritt der „Zerstörer“ Mara auf, der Buddha mit Zerstreuungen von der Meditation weglocken will. Genauso kämpft jeder beim Rohatsu Sesshin gegen seinen persönlichen Mara. Die alten Hasen, die so etwas schon oft erlebt haben, wissen, dass das dickste Knie irgendwann einmal aufhört, sich zu melden und dass dann die Schmerzen in den Hintergrund treten. Ich habe als Jiki (Zendoleiterin) viele Rohatsu betreut und eine meiner Hauptaufgaben war, die Erstteilnehmer davon zu überzeugen, nicht aufzugeben.  Egal wie man weitermacht, ob man Kissen übereinander türmt, seine Knie mit Decken unterstützt, auf einem Stuhl weitermacht oder in der Zazen Pause einen Sprint um den Platz macht, wichtig ist es, nicht aufzugeben. Denn die Frage ist: Gewinnt Mara oder gewinne ich? Wer es durchgehalten hat, hat es noch nie bereut.

P.S.: Übrigens: Wer einen authentischen und witzigen Erfahrungsbericht eines Rohatsu-Teilnehmers im japanischen Kloster lesen möchte: der lese das Kapitel „Rohatsu, Woche aller Wochen“ im Buch „Der leere Spiegel“ von Janwillem van de Wetering.

Ist wo „Zen“ draufsteht, auch Zen drinnen?

Wellness Center

Teebeutel

Fußspray

 

 

 

 

 

 

 

Über die Jahre habe ich Dinge gesammelt, die Zen heissen. Was wollen die Hersteller dieser Produkte vermitteln?  Schauen wir uns einige an.

Erstens die Wellness Produkte. Unzählige Wellness Produkte spielen mit dem Begriff Zen.  Da steht wohl quasi „Entspannung“ darauf. Vom Zen Sitzen kommt diese Assoziation sicherlich nicht, vielleicht vom Betrachten der Zen-Gärten, von der Idee, eine Auszeit zu nehmen vom hektischen Alltag. Eine Schale grünen Tees, Eintauchen in die Welt der Massage, der Aromen. Da gehört eben auch ein Fußspray dazu.

Aufgepopptes Müsli
„for inner harmony“

Zen Burger, New York
„Good for You. Good for the Earth.“

Zenpalate
Vegetarisches Restaurant
in New York

 

 

 

 

 

 

 

Die zweite Kategorie hat mit Gesundheit zu tun. Schliesslich isst man im Zen Kloster wenig, gesund und vegetarisch. In Amerika steht daher Zen für gesundes Essen, für vegetarisch, für Bio. Auf der Rückseite des Optimum Zen Bio-Müslis, steht: „Enjoy a Zen Moment every Day“. Auch die stylishen Zen Burger sind vegan. Allerdings ist das Restaurant inzwischen als geschlossen gemeldet.  Das Cross over hat wohl nicht so funktioniert.

Creative Zen Nano plus

Zen Musik
für Schwerhörige

Musik Player Zen Stone

 

 

 

 

 

 

 

Es gibt einige Music Players namens Zen. Manche Meditationen, die Entspannung versprechen, werden von Musik begleitet, allerdings gibt es das nicht im Zen. Hier wird der Begriff „Zen“ synonym für „Meditation“ gebraucht. Besonders witzig: Ein Hörgeräte Spezialist hat für Schwerhörige mit Tinnitus ein Hörgerät entwickelt, das mit harmonischen „Zen“-Klängen den Hörstress abbaut.

Ski Zenoxide

Lausfschuh Zen

Messer Zen-Sation

Die vierte Kategorie ist anders. Der Ski, der Schuh, das Messer, das sind Produkte, die Dynamik und Kraft symbolisieren. Da geht es zur Essenz der Funktion. Das Styling ist reduziert, häufig schwarz. Der Blick wird auf das Wesentliche gerichtet. Sie vermitteln konzentrierte Energie,  bei entspannter Mühelosigkeit.

The Zen of Screaming
Stimm-Coaching

Ausserhalb der obigen Kategorien steht „The Zen of screaming“. In der Beschreibung steht: Metal Music Sänger schreien 90 Minuten lang. Da leidet die Stimme. Dieser Kurs verspricht ein Stimmcoaching fürs Schreien. Es geht um das „Nur Schreien“.

Da kommt mir in den Sinn, dass das Wort „Rinzai-Zen“ in China als Synonym für „Schreien und Schlagen“ verwendet wurde.

Auch heute noch wecken Zen-Lehrer die Dösenden mit einem Schrei aus ihrem Halbschlaf. The Zen of Screaming hat mehr mit Zen zu tun als die Wellness-Ladies, die einen Tee verkaufen. Es beinhaltet Dynamik, Kraft und absoluten Einsatz.

Auf den zweiten Blick ist es bei vielen Produkten nicht so absurd, dass sie Zen heissen. Sie haben Aspekte des Zen  in sich, sei es die Konzentration, der Blick für das Wesentliche, das Reduzierte, das Natürliche, das Dynamische. Gibt es noch weitere Zen-Produkte? Ich würde mich freuen, meine Sammlung erweitern zu können!

Zen-Klausur: Von innen leben

Zazen in der Hütte

Viele Zen-Meister haben sich immer wieder in die Berge zurückgezogen um zu meditieren. Auch Bassui Tokusho Zenji (1327-1387), mit dem ich mich vor einiger Zeit intensiv beschäftigt habe. Er hatte fast sein ganzes Leben zurückgezogen in einer Hütte am Berg gelebt.

Warum ausgerechnet in den Bergen? Ich wollte das herausfinden, habe eine Hütte in den Bergen gemietet und bin ohne Computer und ohne Bücher dorthin gefahren, um alleine eine Woche Zen-Klausur zu machen.

Es war das spannendste, was ich in den vergangenen Jahren erlebt habe.  Ich hatte keinerlei Vorgaben, keine Tagesstruktur und so war ich fast ein bisschen aufgeregt, was passieren würde.

Die Struktur kam ganz von alleine. Es war Meditieren, Frühstück, Körperübungen, Schauen, in die Natur gehen, Essen, Meditieren, Schauen, Essen, Meditieren, Schlafen.  Es entwickelte sich ein Gefühl des Bei-mir-Seins, des Im-Moment-Seins, einer tiefen inneren Stille, die durchwegs Meditation war.

Und das waren die Aha-Erlebnisse:

Ein Leben ohne Entscheidungen. Unser Alltagsleben ist so schwierig, denn wir müssen dauernd Entscheidungen treffen. Nehmen wir eine Melange oder einen Cappuccino? Kaufe ich das billigere Waschmittel oder das teurere Öko-Waschmittel? Fahre ich mit dem Auto, mit dem Fahrrad oder fahre ich mit der U-Bahn? Je komplizierter unser Leben ist, desto mehr Entscheidungen müssen wir treffen. Am Berg nehme ich was da ist, punktum.

Die Essensbedürfnisse ändern sich. Ohne Einflüsse von aussen wie Fernsehen, Werbung, das Angebot im Supermarkt, verändern sich die Essensbedürfnisse. Ich habe nur ganz simple Dinge zum Essen gekocht und weniger gegessen. Ich hatte Orangensaft und Mineralwasser mitgebracht, aber nicht angerührt. Ich hatte grünen und schwarzen Tee mitgenommen, aber nur heisses Wasser und Kräutertee getrunken.

Das Leben entwickelt sich von innen. Im Alltag leben wir von aussen bestimmt. Von Terminen, Vorgaben im Beruf, von den Bedürfnissen des Partners, von Informationen aus Zeitungen, Werbung, Fernsehen. Selbst wenn wir ein Buch lesen, nehmen wir etwas von aussen auf. Eine Woche lang nichts aufnehmen, und wir gewinnen völlig neue Erkenntnisse über uns selbst. Die leise Stimme, die von innen kommt, hat eine Chance, unsere Augen öffnen sich und nehmen wahr.

Unsere Umgebung wird wirklich. Ohne Impulse von aussen werden wir nicht abgelenkt. Ich gehe in die Natur und kann mich mit ihr einschwingen. Keine störenden Gedanken sind da, die eine Wand zur Umgebung aufbauen. Ich sehe mehr, ich freue mich an kleinen und großen Dingen, an Fliegenpilzen und an der Milchstrasse in der Nacht.

Jetzt bleibt noch das Rätsel: Warum gerade am Berg? Es ist ganz einfach. Da sind wir weit weg von der Zivilisation. Es ist still. Keine Stimmen, keine Autos. Und selbst wenn ich in Versuchung kommen sollte, in ein Kaffeehaus zu gehen, ist das nicht so einfach,  da bleibe ich lieber oben. Am Berg bin ich wirklich alleine.